Heutige Häuserlücke rechts neben der Mainzer Straße 17. Unten ein Foto aus dem Jahr 1953, auf dem noch das Haus mit Ladengeschäft zu sehen ist, in dem Siegmund Strauß und seine Schwestern Bertha und Ricka bis 1939 wohnte.

Hier wohnte

Alter im
Jahr 1933

Schicksal

Bemerkungen

Siegmund Strauß,
geb. 11.10.1869
"Kurz- und Wollwaren" laut Adressbuch 1912 Eintrag Nr. 17

64

verlässt GG am 29.6.1939 nach Frankfurt;

Flucht in den Tod am 28.4.1942

Kaufmann, genannt "Schachteljud";
In den Pogromtagen wurde er dadurch gequält, dass man ihm den Katheter zum Wasserlassen zwei Tage lang verweigerte.

Gedenkblatt für Siegmund in Yad Vashem

Sterbeurkunde Siegmund

Info auf Shoah-Memorial-FFM

 

Berta Strauß,
geb. 19.6.1863

70

Schicksal unbekannt
13.1.1942

Schwester von Siegmund

Sterbeurkunde Berta

Info auf Shoah-Memorial-FFM

 

Ricka Strauß
geb. 16.11.1866

67

Schicksal unbekannt
18.5.1941

Schwester von Siegmund;
Gedenkblatt für Ricka in Yad Vashem

Sterbeurkunde Ricka

Info auf Shoah-Memorial-FFM

 

Stolpersteinverlegung am 30.5.2014

Familie Strauß im Stolpersteine-Guide

Historische Fotogalerie zur Mainzer Str. 17

Die Grabsteine von Siegmund, Bertha und Ricka Strauss auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in der Eckenheimer Landstraße in Frankfurt.

Dokument aus der Hessischen Landeszeitung vom 29.6.1939:


Der einzige Hebräer, der sich noch in der Kreisstadt herumtrieb, der Jude Strauß, allgemein unter dem Namen ‚Schachteljud' bekannt, ist nun endlich weggezogen. Dieser lästige Jude hat bis zuletzt versucht, bei den Volksgenossen seinen stets in einer Schachtel mitgeführten Dreck loszuwerden. Nun ist er nach Frankfurt ‚ausgewandert'. Damit ist Groß-Gerau judenfrei.
Die Stadt hat vor der Machtübernahme durch den Führer über 140 Juden beherbergt. Die Juden besaßen bereits im 13. Jahrhundert in Groß-Gerau einen Friedhof zwischen dem Galgenberg und dem Stadttor in der Nähe der heutigen Hassia-Käserei Petermann in der Helwigstraße. Sie mussten damals für jeden Rassegenossen, den sie begruben, einen Goldgulden an den Zentgrafen bezahlen. Nach der Französischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts, die einen Sieg der Juden über die arische Bevölkerung darstellte, trat das Unglück ein, das unsere Vorfahren verhütet hatten. Groß-Gerau darf sich glücklich preisen, den letzten Juden losgeworden zu sein. Es ist interessant, festzustellen, dass sich im gesamten Kreisgebiet noch rund 120 Zionsverteidiger aufhalten. Aber auch diese letzten Reste werden bald der Vergangenheit angehören.

Recherchen ergaben folgende Informationen über die Menschen und die Häuser, in denen sie wohnten:

Die Menschen

Das Haus der aus Geinsheim stammenden Geschwister Bertha, Ricka = Rebekka und Siegmund Strauss in der Mainzer Straße 17 (früher 19) in Gross-Gerau steht nicht mehr.

Im Geinsheimer Ortsbürger-Register findet sich der Vater der drei Geschwister Jonas Strauss 1862 als Handelsmann unter den insgesamt 28 Geinsheimer „Israeliten“ und Siegmund für das Jahr 1895 als Handelsmann, Albert Kaufmann aus Bisses für 1922. Die Ehefrau von Jonas und Mutter der drei Geschwister ist Eva, ebenfalls eine geborene Strauss. Die Geschwister haben Geinsheim lange vor den Ereignissen verlassen, die wir in Alemannia Judaica über den Geburtsort lesen:

„1933 gab es noch drei jüdische Familien am Ort: Familie Siegmund Kahn mit einer Eisenwarenhandlung, Familie Max Kahn, Familie Albert Kaufmann. Am 30. März 1933 (Vorabend des reichsweiten Boykotttages) wurden bei Familie Max Kahn sämtliche Fenster des Wohnhauses zertrümmert. Er starb am 22. Januar 1934 (rechts sein Grabstein auf dem Jüd. Friedhof in Groß-Gerau). Bei seiner Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Gerau .... wurden die Fahrzeugreifen der Trauergäste durchstochen. Noch im Lauf des Jahres 1934 verließen auf Grund des ständigen Terrors durch die örtlichen SA-Leute alle jüdischen Personen Geinsheim. Damals rühmte sich Geinsheim als erster Ort des Kreises "judenfrei" zu sein.“

Das gleiche passiert in Gross-Gerau, und es war der Geinsheimer Siegmund Strauss, der 1939 als Letzter von hier vertrieben wurde.

Die Geburt der aus Geinsheim stammenden unverheirateten Geschwister liegt jeweils drei Jahre auseinander: die älteste Bertha erblickte das Licht der Welt 1863, Ricka 1866, Siegmund 1869.

Der 1905 im Gross-Gerauer Adressbuch als Händler eingetragene Siegmund betreibt in der Mainzer Strasse ein Kurzwarengeschäft. Er führt es zusammen mit seinen Schwestern inmitten christlicher Nachbarn, aber auch nicht weit von den Unternehmerfamilien Siegfried und Paul Oppenheimer und der Familie Moritz Goldberger entfernt, die schräg gegenüber wohnt und arbeitet.

Als seine Mitbürger zu „Ariern“ erklärt werden, findet er sich in Groß-Gerau als „Schachteljud“ verunglimpft, ein Hinweis darauf, dass der Handel schließlich in die Armut führt; die drei Hausbewohner der damaligen Mainzer Straße 19 leben unauffällig und abgeschieden vor ihren Nachbarn. Mündlich ist überliefert, dass wohltätige Groß-Gerauer ihnen bisweilen heimlich Lebensmittel vor die Tür oder Fenster stellten.

Ihre Hilferufe während der Übergriffe in den Pogromtagen des Novembers 1938 bleiben unbeachtet, haften aber im Gedächtnis von Zeitzeugen.

Siegmund wird die 1871 im Deutschen Reich eingeführte Gewerbefreiheit begrüßt haben; aber diese endete für ihn seit 1935. Bei Kriegsende 1918, im Jahr der Novemberrevolution und zum Beginn der Weimarer Republik ist Siegmund fünfzig, sein Geburtstag liegt immer nah zu den historischen Ereignisse vom revolutionären 9. November 1919 und dem Hitler-Putsch 1923 und jenem 9. November 1938, der seinem Leben den entscheidenden Schlag versetzt. Nach dem Pogrom in den Novembertagen 1938, das in Groß-Gerau sehr heftig, aber nicht das erste ist, müssen sich die männlichen Juden auf der Bürgermeisterei von Bürgermeister Staginowa melden. Sie werden von dort die Frankfurter Straße entlang auf den Marktplatz geführt, wo sie sich in Viererreihen aufstellen müssen, um zum Spott der Menge „Leibesübungen als letzten Appell“ vorzuführen.

Abtransportiert werden dann sieben unter 6o jährige Männer auf einem Lkw ins KZ Buchenwald, wo sie mehr als einen Monat festgehalten werden; die letzten beiden kommen im Januar 1939 zurück: es sind Ludwig Goldberger und Siegfried Schott.

In Briefen, die Emil Marx von der Mehlhandlung Marx Marx am Sandböhl an seinen Sohn in Chicago schreibt, sind all diese Männer seit dem November 1938 „verreist“, wie es in der Sprache der Verfolgten heißt. Diese „Reise“ und Behandlung im KZ Buchenwald hat gereicht, um alle Rückkehrer von dort, nur noch eines wünschen zu lassen: Möglichst schnell weg und raus aus Deutschland!

Obwohl Siegmund Strauss mit über 60 Jahren nicht unter den zweitweise Deportierten war, werden ihn die Misshandlungen in der Pogromnacht 1938 wie auch ein weiterer nächtlicher Überfall auf sein Hab und Gut im Januar 1939 dazu gezwungen haben, sein Haus an die Nachbarin zu verkaufen und unfreiwillig nach Frankfurt in die Bendergasse (Foto rechts) zu ziehen. Dort in Frankfurt sammeln sich die ehemals Groß-Gerauer Juden, soweit nicht bereits im Ausland, in Mietwohnungen zu einem vermeintlichen Neuanfang oder, um die Wartezeit vor der Flucht zu überbrücken.

Aber die drei Strauss-Geschwister, alle ledig, gehören nicht zu jenen, die sich über bereits emigrierte Verwandte oder geflüchtete Freunde etwa aus den USA. Bürgschaften verschaffen können, um dann beim amerikanischen Konsulat in Stuttgart Visa zu beantragen, Pässe zu erhalten und so Schiffsplätze nach Übersee reservieren zu können. Denn auch dazu fehlt das Geld, da es, soweit überhaupt vorhanden, auf Sperrkonten „verstaatlicht“ war. Bald wird es so weit sein, dass Juden nicht mehr in „arischen“ Häusern wohnen dürfen, also wohin, nachdem ihnen die Geschäftsgrundlage und das eigene Haus entzogen war?

Die Stimmung im Hause Strauss fängt ein Brief von Emil Marx an seinen nach Chicago 1936 vorausgeschickten Sohn Martin ein. „Heute habe (ich) Siegmund Strauss besucht; derselbe ist krank, er wollte sterben, aber er hat noch Zeit.“ (11.Oktober 1936) .

So zieht Siegmund Strauss unfreiwillig und verfolgungsbedingt am 29. 6. 1939 als letzter jüdischer Bürger aus Groß-Gerau nach Frankfurt in die Bendergasse 11. Die Hessische Landeszeitung begleitet ihn mit einem höhnischen Nachruf (siehe oben im Kasten).

Der „Schachteljud“ ist im völkischen Jargon zum Synonym für den wirtschaftlichen Niedergang vom Kaufmann zum Hausierer geworden, der seine verbliebenen Waren aus Schachteln heraus verkaufte.

Mündlich überliefert uns Anna Goldberger, die nach dem Krieg den Jüdischen Friedhof in Groß-Gerau betreute, dass Siegmund in den Pogromtagen gequält wird, indem ihm, dem Prostatakranken, zwei Tage lang der Katheter zum Wasserlassen verweigert wird. So endet denn die Vertreibung der Strauss-Geschwister aus Groß-Gerau für Siegmund im jüdischen Gagern-Krankenhaus in Frankfurt.

Dort beendet er sein Leben durch einen Sturz aus dem Fenster am 28. 4. 1942 um 21.00 Uhr im Alter von 73 Jahren. In der Sprache des Instituts für gerichtliche Medizin lautet der Befund: „Sturz aus dem Fenster“.

Setzt man diesen Todeszeitpunkt in Beziehung zu den seit Ende 1941 erfolgten Deportationen aus Frankfurt nach Minsk und Kowno und zu den sechs Massentransporten ab Mai bis Ende November 1942, darunter auch die „Judentransporte“ Älterer (über 60) mit jeweils ca. 1000 Menschen ins Ghetto Theresienstadt, dann ist der „Freitod“ Siegmunds seine Flucht in den Tod vor seinem absehbaren in der Shoa. Verordnungen über das Tragen des Judensterns vom September 1941, das Auswanderungsverbot 23. 10. 1941, die auf viele bereits geltende antisemitische Diskriminierungen folgen und schließlich die Wannsee-Konferenz 1942 markieren, wie sich jetzt im Krieg der Umschwung in der „Behandlung“ von Juden seit dem Reichspogrom 1938 vollzieht – bis hin zur industriell betriebenen Massenvernichtung.

Der folgende Auszug aus den Gestapo-Akten ist mit „von der Gestapo geselbstmordeten Opfern“ (Chr. Goschel) treffend formuliert:

„Sollte ein Jude aus Anlass der Evakuierung Selbstmord begehen, so ist sie sinngemäß genauso zu verfolgen, als wenn er abtransportiert worden wäre. Ich bitte jedoch, den erfolgten Freitod auf dem Behandlungsbogen ausdrücklich zu vermerken.“ Schnellbrief der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeistelle Frankfurt/M, 21. 8. 1942. An den Regierungspräsidenten Wiesbaden (nachrichtlich), die Polizeipräsidenten Frankfurt und Wiesbaden (nachrichtlich), die Landräte des Stapobereiches, die Gauleitung der NSDAP in Frankfurt/M. betr. Dep. Theresienstadt (Protektorat)....  

Das Dokument reglementiert im einzelnen den Weg nach und in Frankfurt bis zu den Deportationszügen über die Sammelstelle, das jüdische Altersheim in der Rechneigrabenstraße, bis zur Großmarkthalle.

1939 lebten noch ca. 200.000 jüdische Bürger in Deutschland. Zum Zeitpunkt der Wannseekonferenz am 1. 1. 1942 waren noch 131 828 Juden in Deutschland. Flucht und Beginn der Deportationen von Berlin aus im Oktober taten ihre Wirkung. Wer jetzt keinen Ausweg mehr findet, wird zu jenen gehören, mit denen das nationalsozialistische Regime nach ihrer legalisierten Ausplünderung nichts mehr anfangen konnte, als sie zu deportieren und zu ermorden.

Siegmund und seine Schwestern liegen auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Frankfurt begraben; die Gräber Rickas und Berthas getrennt von dem Siegmunds.

Die Frankfurter Friedhöfe werden am 16. 11. 1942 an die Gestapo übertragen.

In Frankfurt nahmen sich ca. 700 Juden infolge der Depotrationsbefehle das Leben, 10600 Frankfurter wurden ermordet, nur 680 erlebten die Befreiung. Mit der Inschrift „Gestorben für die Heiligung des Namens“ Gottes, dem Kiddusch Haschem, wird das Festhalten am jüdischen Glauben durch Martyrium, Gebet und Lebensführung bezeichnet.

In dem heute gängigen Gebet, das in Synagogen im Gedenken an die Opfer der Shoa rezitiert wird, ist ebenfalls von Kiddusch Haschem die Rede. Der sehr deutlich auf die religiöse Todesbereitschaft gemünzte Begriff ist hier auf das Erleiden eines gewaltsamen und um des Judentums willen erlittenen Todes erweitert worden.

Der Blick auf das Schicksal von Ricka Strauss lässt keinen Zweifel daran, dass auch ihr Tod eng mit Armut, Altersgebrechen und Deportationsgeschehen zusammenhängt. Ricka Strauss wird noch im Alter beim Betteln aufgegriffen und 1941 gerichtlich verfolgt.

Ricka starb 72-jährig im Jahr 1941, am 18. 4. und wird in den Gedenkblättern von Yad Vashem als Opfer der Shoa geführt; sie stirbt vor den zwei Deportationen aus Frankfurt in diesem Jahr. Das Gedenkblatt wurde eingereicht von: Yosef Rokakh.

Über das Schicksal von Berta, die 79-jährig am 13. 1. 1942 um 13.00 Uhr verstarb, ist nichts weiter bekannt außer der letzten Adresse in der Bendergasse 11. Sie entgeht den insgesamt sechs Deportationen des Jahres 1942 aus Frankfurt.

Verarmung, Altersgebrechlichkeit und psychischer wie physischer Verfolgungsdruck rund um die Deportationen sind für die Todeszeitpunkte der drei Geschwister Strauss sicher von Belang.

Das Anwesen

Inzwischen in der Bendergasse 11 II in Frankfurt a. M. lebend, „verkaufen“ Siegmund („Israel“) Strauß, Bertha („Sara“) Strauß und Ricka („Sara“) Strauß am 19. 7. 1939 an Frau Wilhelm Jourdan Elfter, Witwe Katharine, geb. Egner einen Grabgarten, einen Grasgarten und eine Hofreite in der Mainzer Straße 17. Die Käuferin handelt für das landtechnische Unternehmen Jourdan OHG. Der Kaufvertrag wird von Rechtsanwalt Höfle beurkundet. „Die Verkäufer sind Juden“. Am 22. 12. 1939 genehmigt der Reichstatthalter den Kaufvertrag, setzt aber den Kaufpreis in seinem Bescheid von 4500 RM auf 4200 RM herab. Der reduzierte Kaufpreis wird auf ein Sperrkonto überwiesen, über das nur nach Antrag bei der Devisenstelle für Beiträge zum Lebensunterhalt von Fall zu Fall verfügt werden kann, wenn die Genehmigung erfolgt ist. Verkäufe wie dieser werden, da Verkaufszwang vorauszusetzen ist, als „Arisierung“ (von Vermögen) bezeichnet.

Ricka, Berta und Sigmund Strauss sollen am 26. 4. 1938 gegen die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden verstoßen haben und werden strafrechtlich belangt

Die Bestimmungen verlangten von allen jüdischen Bürgern im Deutschen Reich die Anmeldung des in- und ausländischen Vermögens, wenn dessen Gesamtwert mehr als 5.000 Reichsmark betrug. Bei falschen Angaben drohten Geldstrafen, Haftstrafen bis zu zehn Jahren Zuchthaus sowie Vermögenseinzug. Beabsichtigt war „die Umwandlung des jüdischen Vermögens […] in Werte, die keinen wirtschaftlichen Einfluss mehr gestatten. Tatsächlich wurde dieser Plan erst in der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 umgesetzt. Hermann Göring erläuterte später, dass in der Besprechung im April bereits der Beschluss gefasst wurde, „die deutsche Wirtschaft zu arisieren, den Juden aus der Wirtschaft heraus und in das Schuldbuch hineinzubringen und auf die Rente zu setzen. […] Die Entschädigung wird im Schuldbuch vermerkt und zu einem bestimmten Prozentsatz verzinst. Davon hat er zu leben.“

Die „Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 14. Juni 1938, schrieb eine Registrierung aller jüdischen Gewerbebetriebe vor. Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938 verfügte die Schließung dieser Gewerbebetriebe zum Jahresende, sofern nicht für ihre „Überführung in nichtjüdischen Besitz“ eine Fristverlängerung beantragt wurde. Im Dezember 1938 folgte die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“, die eine Depotpflicht für Wertpapiere einführte, den fristgerechten Verkauf von land- und forstwirtschaftlichem Besitz wie von Gewerbebetrieben regelte sowie private Veräußerungen von Edelmetallen und wertvollen Kunstgegenständen untersagte. Die Verordnung wurde durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht vom 20. September 1945 förmlich aufgehoben.

Die alliierten Verordnungen nach dem Kriege zielen darauf, diese „Arisierungen“ rückgängig zu machen. Dafür tritt u. a. die Jewish Restitution Successor Organization ein. Betroffene Überlebende oder Erben als Antragsteller sind in diesem Falle nicht vorhanden. Die zuständige deutsche Stelle ist das Amt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung in Darmstadt und diese stellt für die Immobilie Mainzer Straße 17 gegen die Käuferin von 1939, Frau Katharine Jourdan, die Vermögenssperre fest, mit der Bemerkung „Besitzwechsel erfolgte wahrscheinlich unter Zwang“ (20. 4. 1949). Die Mitteilung geht postalisch an die Eigentümerin Witwe Katharine Jourdan, Mainzer Straße. 19. Sie hat augenscheinlich das Grundstück nebenan, die Nr. 17, dazu erworben. Wilhelm Jourdan war bereits am 5. 6. 1936 im Alter von 53 Jahren verstorben, so dass seine Ehefrau Katharine das Geschäft Jourdan als Witwe selbständig weiterführte und vergrößerte.

Am 9. 9. 1950 beantragen Jewish Restitution Successor Organization (J. R. S. O.) die Rückübertragung beim Amt für Vermögenskontrolle in Darmstadt und dieses sorgt für einen entsprechenden Vermerk im Grundbuch (Bd. II, Bl. 141). Der Vergleich in der Rückerstattungssache J. R. S. O. in Frankfurt vor dem Landgericht Darmstadt gegen Katharina Jourdan, Mainzer Str. 19 ergibt: Die Grundstücke bleiben im Eigentum von Jourdan gegen Zahlung von 1400 DM. Der frühere Kaufpreis von 4200 RM war nicht in die Verfügung der Verkäufer Strauss gelangt. Die Wiedergutmachungsansprüche der J. R. S. O. gegen das Deutsche Reich, hier das Land Hessen, tritt Jourdan an diese ab. Daraufhin wird am 10. 1. 1951 die Vermögenssperre aufgehoben. Ein Jahr später werden die Grundstücke 17 und 19 in der Mainzer Straße neu vermessen und vereinigt.

Adressbuch von 1912. Siehe Eintrag bei Nr. 17:

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Sterbeurkunde Siegmund Strauß:

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Sterbeurkunde von Bertha Strauß:

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Sterbeurkunde von Ricka Strauß:

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Gedenkblatt für Siegmund in Yad Vashem:

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Gedenkblatt für Ricka in Yad Vashem:

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