Historische Fotogalerie Familie Goldberger

Sammlung Schleindl/Kreis Groß-Gerau

Das Ehepaar Moritz und Auguste Goldberger ist hier mit seinem Sohn Ludwig zu sehen. Frau Goldberger umarmt ihren Neffen Ernst Schiff, der in Wallerstädten lebte. Ludwig Goldberger legt seinen Arm um Erwin Kaufmann aus Geinsheim bzw. Gross-Gerau. Das Foto wurde möglichwerweise 1937 vor der Auswanderung von Erich Schiff als Abschiedsfoto im Hof der Familie aufgenommen.

Ludwig Goldberger beim Zieleinlauf bei einer Sportveranstaltung in Groß-Gerau. Rechts: Ludwig Goldberger
   

Foto links: Jüdischer Sportverein „Schild“ in Darmstadt. Die Handballmannschaft des „Schild Darmstadt“ wurde Handballmeister der Süddeutschen Jüdischen Vereine. Der Sportverein Schild gehörte zum Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. In Darmstadt hatte sich der Schild im Jahre 1933 gegründet.

Zu sehen sind die siegreichen Spieler mit ihrem Trainer:

hintere Reihe von links
Siegfried Eckstein
Herbert Wieseneck
Siegfried Goldberger
? Halberstadt
? Bick
Moritz Wieseneck
Walter Liebmann
? Stein
nicht bekannt

vorne von links: Walter Blum, Ernst Eckstein, Julius Bendorf

Das Foto wurde schätzungsweise um das Jahr 1935 aufgenommen.

   
Ludwig Goldberger (sitzend) mit Freunden vor der Synagoge. Ludwig Goldberger (links) spielt mit Manfred Kaufmann vor der Synagoge Tischtennis
   

Erzwungene Ausräumung des alten jüdischen Friedhofs 1936; Moritz Goldberger zweiter von rechts.

Ludwig Goldberger mußte einmal abends von der Lehrstelle kommend seinem Vater helfen. Diese Arbeit wurde unter der Aufsicht von SA-Männern verrichtet, von denen einer so vermessen war, einen Totenschädel von dem Druckkarren Goldbergers zu nehmen, hineinschiß und diesen unter dem Gelächter der anderen Zuschauer oben auf die schwarze Decke des beladenen Karrens setzte.

Vater und Sohn fuhren an diesem Abend ihren Druckkarren mit der traurigen Last, beide weinend, durch die Stadt hinaus zum Friedhof. (Text aus Schleindl, S. 164)

Zum Foto links: Der Vater Ludwig Goldbergers wurde im November 1936 gezwungen, die Gräber des älteren jüdischen Friedhofs (zwischen dem ehemaligen Landratsamt und der Kreissparkasse in Groß-Gerau) zu öffnen und die Gebeine seiner verstorbenen Gemeindemitglieder herauszunehmen. Dabei muß erwähnt werden, daß die Störung der Totenruhe für Juden ein Sakrileg ist. Das Grab nennen die Juden „das Haus der Ewigkeit". Nach der Beerdigung bleiben Gräber für immer unberührt, nicht einmal Blumen werden auf dem Grab gepflanzt. Die Exhumierung von Leichnamen und Gebeinen ist strengstens verboten. Sie bedeutet vor allem eine Störung der Ruhe der Hingeschiedenen, eine Schändung ihrer Körper durch die Ausgrabung und eine Entehrung menschlicher Würde durch den Anblick zerfallener Körper. Jüdische Gräber werden auch nach 50, 100, 200 Jahren nicht geöffnet oder „neu" belegt. Aus diesem Grund sind jüdische Friedhöfe erhalten geblieben. In Städten (Worms, Prag), wo den Juden das Friedhofsgelände nicht ausreichte, wurden über die Gräber neue Erdschichten geschüttet und der Grabstein mit hochgehoben. In Groß-Gerau lag der ältere jüdische Friedhof (seit dem 17. Jahrhundert) am Burggraben vor der Stadt. Im 19. Jahrhundert hatte sich Groß-Gerau über dieses Gebiet ausgedehnt. Jetzt lag der Friedhof ziemlich zentral (heute: Kreissparkasse, Helwigstraße). Nach Einweihung des neuen jüdischen Friedhofs, 1841, außerhalb der Stadt (heute: Theodor-Heuss-Straße), hatte Groß-Gerau mehrfach versucht den älteren jüdischen Friedhof zu erwerben. Aus den bereits erwähnten Gründen lehnte das Rabbinat Darmstadt den Verkauf des Friedhofsgeländes strikt ab. 1935 wurde der jüdische Friedhofsverband quasi enteignet. Der Rabbiner Merzbach (Rabbinat Darmstadt II, orthodox) teilte dem jüdischen Friedhofsverband Groß-Gerau am 19. November 1936 mit: „Die Exhumierung ist unbedingte Verpflichtung, wenn die Gebeine an der Stelle, an der sie ruhen, nicht geschätzt sind, der Mißachtung preisgegeben sind, ihre Freilegung durch äußere Gewalt oder durch Menschenhand zu erwarten ist."

Der jüdische Friedhofsverband GroßGerau stellte für die Exhumierung 10 000 RM zur Verfügung. Es war vorgesehen, daß jeder Leichnam gesondert auf dem „neuen" jüdischen Friedhof beigesetzt wird. Trotz Hilfe der noch verbliebenen jüdischen Männer war das unmöglich. Die Gebeine wurden schließlich in einem Massengrab bestattet (heute liegt an dieser Stelle ein Gedenkstein - siehe Foto unten). Herr Moritz Goldberger wurde für die Exhumierungsarbeiten von der jüdischen Gemeinde angestellt. Vier bis fünf Gräber öffnete der alte Herr pro Tag und fuhr die sterblichen Überreste auf einem Druckkarren, den er mit einem schwarzen Tuch bedeckte, jeden Abend durch Groß-Gerau zum neuen Friedhof, wo er diese in einem Massengrab bestattete.

 

   
Vater und Sohn Goldberger Mitte der 30er Jahre bei Arbeiten auf dem (neuen) Jüdischen Friedhof neben dem Freibad. Hügel über dem Massengrab auf dem neuen Friedhof. Der Gedenkstein im Vordergrund trägt die Inschrift: "Ruhestätte jüdischer Mitbürger aus Groß-Gerau, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft widerrechtlich umgebettet wurden."
   
Am 10.11.1938, einen Tag nach der Pogromnacht, müssen die männlichen Juden auf dem Groß-Gerauer Marktplatz zum Appell antreten. Darunter auch Moritz Goldberger (ganz rechts) und sein Sohn Ludwig (zweiter von links neben dem Uniformträger). Am 10.11.1938, einen Tag nach der Pogromnacht, müssen die männlichen Juden auf dem Groß-Gerauer Marktplatz zum Appell antreten und werden mit "Turnübungen" schikaniert.

Zu den beiden Fotos oben: In den nächsten Tagen nach der bekannten „Reichskristallnacht" wurde der Rest der einst blühenden jüdischen Gemeinde Groß-Geraus auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Es waren die Ärmsten der Armen, darunter auch Ludwig Goldberger mit seinem Vater. Die Familie Goldberger konnte mit ihren schmalen Ersparnissen nur dem ältesten Sohn Siegfried die Überfahrt nach den USA ermöglichen. Die übrigen Mitglieder der Familie Goldberger wurden kurz nach dem 10. November 1938, zusammen mit anderen jüdischen Bürgern Groß-Geraus und des Kreises, zusammengetrieben und deportiert. Die SS ließ die jüdischen Bürger auf dem Marktplatz in einer Marschkolonne zu je 4 Gliedern antreten. Daraufhin mußten diese turnen, d. h., Rumpfbeugen, Kniebeugen und Hüpfen, inmitten des lachenden und johlenden Nazi-Pöbels. Anschließend mußten die jüdischen Mitbürger über eine Viehtreppe in einen für Viehtransporte vorgesehenen Lastwagen steigen. (Text aus Schleindl, S. 166)

   
 
Das Grab Ludwig Goldbergers auf dem Groß-Gerauer jüdischen Friedhof aus dem Jahr 1996.