Walther-Rathenau-Str. 11 (früher Adolf-Hitler-Str. 13)
Stolpersteinverlegung am 21.5.2016
Familie Hirsch im Stolpersteine-Guide
Hier wohnte | Alter
im Jahr 1933 |
Schicksal | Bemerkungen |
---|---|---|---|
August Hirsch geb. 22.12.1872 gest. 18.6.1948 |
61 | 1935 unfreiwillig verzogen nach Frankfurt; 1936 Flucht nach Chicago |
Kaufmann; Inhaber eines Geschäftes für Metzgereiartikel, Häute und Felle in der Schützenstraße |
Ella Hirsch geb. Meyerfeld geb. 18.9.1882 gest. 29.10.1960 |
51 | 1935 unfreiwillig verzogen nach Frankfurt; 1936 Flucht nach Chicago |
Ehefrau von August |
Bruno Hirsch geb. 13.11.1909 gest. 21.11.1973 |
24 | 1934 Flucht nach Chicago |
Sohn von August und Ella |
Kurt Max Hirsch geb. 15.5.1913 gest. 18.6.2006 |
20 | 1935 Flucht nach Chicago |
Sohn von August und Ella |
Hans Seligmann geb. 17.3.1912 |
21 | ??? | ??? |
Historische Fotogalerie Familie August Hirsch
Recherchen ergaben folgende Informationen über die Menschen und die Häuser, in denen sie wohnten:
August Hirsch wohnt laut Adressbuch 1926 in der Rathenaustraße 13. Wenn der Vorname nicht vom Vater auf den Sohn vererbt ist, ist er schon 1905 als Kaufmann in der Hintergasse (= Schützenstraße) 20 tätig und führt ein Geschäft für Metzgereiartikel, Häute und Felle. Er ist der Bruder von Wilhelm Hirsch, geb. am 11. 12. 1870, ledig und kinderlos, der bereits am 17. 5. 1925 verstirbt und auf dem Jüdischen Friedhof in Groß-Gerau begraben ist. Wilhelm ist Mitinhaber der Häute- und Fellhandlung in der Schützenstraße 20. August ist am 22.12.1872 in Groß-Gerau geboren und stirbt in der Emigration. In Groß-Grau lebt er bis zum 30. 12. 1935 und verlässt die Stadt als sein Haus längst in der umbenannten Adolf-Hitler-Straße liegt. Auch den Laden in der Schützenstraße 20, früher „Hintergass“ gibt er auf. Er rettet sein Leben, indem er nach USA, Chicago, auswandert, wo er am 18. 6. 1948 stirbt. Vor der Auswanderung zieht er wie viele, die aus Groß-Gerau vertrieben werden, in Frankfurt Scheffelstraße 12. Seine Ehefrau ist Ella Hirsch, geb. Meyerfeld, die als Witwe nach 1948 auch die Rückerstattungsansprüche von Chicago aus verfolgen wird. Sie ist am 18. 9. 1882 in Groß-Buseck bei Gießen geboren und in Chicago am 29. 10. 1960 verstorben. In Groß-Gerau lebt sie vom 25. 12. 1906 bis zum 30. 12. 1935. August und Ella haben zwei Söhne, mit denen zusammen sie von Groß-Gerau über Frankfurt nach Chicago auswandern. Sohn Bruno (mit amerikanisiertem Vornamen Burt) ist am 13. 11. 1909 in Groß-Gerau geboren und ist von 1909 bis zum 28. 2. 1927 und vom 28. 2. 1931 bis 17. 7. 1934 in Groß-Gerau wohnhaft gemeldet, zweimal ist er nach Moorehead abgemeldet. Besuchte er Verwandte in den USA? Bruno Burt ist zuerst Miterbe und dann Nacherbe der Mutter Ella. Er stirbt am 21. 11. 1973 und wird seinerseits beerbt von seiner Ehefrau Ellen Hirsch, geb. Richeimer und seiner Tochter Diane Hirsch sowie von seinem Sohn. Der zweite Sohn trägt den Namen Kurt Max, geb. am 15. 5. 1913, lebt bis zur Abmeldung am 27. 2. 1935 in Groß-Gerau und wandert zusammen mit den Eltern über Frankfurt nach Chicago aus. August Hirsch, Kaufmann und Ella Hirsch, geb. Meyerfeld heirateten 1907. Im Kaufvertrag vom 18. 6. 1919 erwerben die Eheleute Hirsch von Viktoria Hoffmann, geb. Stecher, als „Vormünderin“ ihres Ehemannes, des praktischen Arztes Dr. Max Hoffmann in Groß-Gerau für 62.000 M die Hofreite mit Grab- und Grasgarten Grundbuch Bd. VI, Bl. 476. Augenscheinlich sind Hirschs 1931 wohlhabende Leute, denn sie können außer der Hofreite in der Ringstraße = Walter-Rathenau Straße (VI,476) auch die Hofreite in der Hintergasse = Schützenstraße (s. Grundbuch Bad. VI, Bl. 441) und dazu mehrere Äcker z. B. auf dem Hermannberg und eine Hofreite (Schlachthaus) mit Grundschulden belasten. Solche Äcker sind im Grundbuch Bd. XVIII, Bl. 1385 verzeichnet mit Gemarkungsnamen wie „in der Auerlach“, „auf dem heidnischen Weg“,“ am Bodenplacken“. Aber auch für sie kommen schlechte Zeiten: Die Entschädigungs- und Rückerstattungsakten im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden belegen, dass die „Häute-, Fell- und Darmhandlung“ am 1. 9. 1935 verpachtet wurde und das Haus in der Adolf-Hitler-Straße 13 am 16.12. 1935 für 23.000 RM den Besitzer wechselte. Der Kaufvertrag vom 6. 12. 1935, sehr früh im dritten Jahr nach der „Machtergreifung“ geschlossen, bringt als Verkäufer August und Ella Hirsch und als Käufer den Rechtsanwalt Peter Höfle und seine Frau Hermine Adele, geb. Leiding, zusammen. Der Kaufpreis über 23.000 RM richtet sich nach dem Bezugswert 1/2790 kg Feingold = 1 Goldmark. Am 17. 3. 1949 meldet das Amt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung, dass Rückerstattung der Hofreite in der Ringstraße = Adolf-Hitler-Straße = Walther-Rathenau-Straße mit Gras- und Grabgarten durch die Erben Bella, Burt Bruno, Kurt Hirsch, Chicago nach August Hirsch und Ehefrau, geb. Mayerfeld beantragt wurde. Es folgt die Vermögenssperre zum 28. 3. 1949, aber auch, dass das Rückerstattungsverfahren abgeschossen ist (27. 8. 1949) und die Ausfertigung des Vergleichs für das Grundbuch vom 27. 8. 1949. Das Vergleichsverfahren vom 26. 8. 1949 beim Landgericht Darmstadt von Ella Hirsch, Burt B. Hirsch und Kurt M. Hirsch gegen Peter Höfle, der inzwischen von Ehefrau Adele Hermine Höfle bevollmächtigt wurde, über den Bevollmächtigten Joseph Raaz, Darmstädter Straße 30 Groß-Gerau gemäß § 16 Rückerstattungsgesetz (REG) beinhaltet: Zum 1. 9. 1949 findet das Ehepaar Höfle die Erbengemeinschaft Hirsch mit 12.000 DM plus 4% Zinsen in drei Raten ab, verbürgt durch eine Sicherungshypothek. „Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Erschienenen bezüglich des Hauses Groß-Gerau Rathenaustraße 13 abgegolten.“ Die Ansprüche wegen „Judenabgabe“ und Reichsfluchtsteuer sind nicht Gegenstand zwischen den Parteien und werden nach Entschädigungsgesetz und Verordnungsblatt Nr. 26, 27 vom 18. 8. 1949, S. 101 ff. zu beurteilen sein. Die Vollmacht auf Joseph Raaz als Attorney (= bevollmächtigter Rechtsanwalt) für Ella, Burt und Kurt Hirsch stammt vom 30. 9. 1948. |