Schützenstraße 18 (früher Hintergasse Nr. 20) / Ecke Steinstraße
(Die Zuordnung der Häuser ist in der Schützenstraße wegen Hausnummerverschiebungen äußerst schwierig und nicht eindeutig!)
Hier wohnte | Alter
im Jahr 1933 |
Schicksal | Bemerkungen |
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Wilhelm Hirsch blieb ledig und kinderlos |
- | Zusammen mit Bruder August (Walther-Rathenau-Str. 11) Mitinhaber der hier befindlichen Häute und Fellhandlung; Grab auf dem jüd. Friedhof D5/14; |
Recherchen ergaben folgende Informationen über die Menschen und die Häuser, in denen sie wohnten:
Hier geht es um die Hofreite Schützenstraße 18, früher Hintergasse 20. Grundbucheinträge gehen auf das Jahr 1909 zurück. Für das Jahr 1913 gibt es beim Hessischen Staatsarchiv folgende Lagebschreibung: Lageplan zur beabsichtigten Einrichtung eines Häutelagers und einer Fellsalzerei für die Firma Wilhelm und August Hirsch auf dem Gelände Ecke Schützen- und Steinstraße zu Groß-Gerau; Originaltitel Lageplan zum Konzessionsgesuch der Firma W[ilhelm] und A[ugust] Hirsch zu Groß-Gerau, Originaldatierung Groß-gerau, 19. Mai 1913. Der Kaufmann Wilhelm Hirsch I. stirbt am 17. 5. 1925 ledig und kinderlos. In seinem Testament vom 2. 2. 1925 verfügt er für seinen Bruder August Hirsch als Alleinerben über die Hofreite „in der Hintergass“, mit Grab und Grasgarten, den Acker auf dem Hermannsberg und der Hofreite am Schlachthaus. Die Überschreibung laut Testament geschieht am 26. 5. 1926. Die Firma Wilhelm und August Hirsch Groß-Gerau erlischt am 28. 10. 1935. Das ist die Firma für Metzgereibedarf in der Schützenstraße. Der Kaufmann August Hirsch wird sozusagen zum Privatier und überträgt das Firmenvermögen auf sich als Privatmann. Im Januar 1936 lautet eine Zustellungsurkunde wegen der Übertragung auf August Hirsch, abgemeldet nach Frankfurt a. M. Scheffelstraße 2 und ebenso eine auf Ella Hirsch in Groß-Gerau, auch Scheffelstraße 2 Frankfurt a. M. Die Grundbuchänderung im September 1936 lautet auf „lediglich Eigentümer“ Kaufmann August Hirsch, nunmehr Amerika, im Auftrag der Eheleute August und Ella Hirsch. Die Generalvollmacht auf Rechtsanwalt Klenk, Groß-Gerau, war schon am 29. 7. 1936 unterzeichnet worden und bevollmächtigte diesen zu Vermögensgeschäften im Umfang von bis zu 30.000 RM. Sie nennt als Bevollmächtigende: 1. August Hirsch, Frankfurt a. M. Scheffelstraße 15 (sic!), Zu diesem Zeitpunkt geht es um das Objekt in der Schützenstraße 20. Zwei Häuser mit Hallen, die Häuser einmal mit zehn Räumen, einmal mit neun Räumen, die im Jahre 1937 Mieteinnahmen von 2534,00 RM erbringen. Daraus ist zu folgern, dass die Gebäude nach der Firmenauflösung vom Oktober 1935 zur weiteren Bewirtschaftung vermietet wurden. Die Vollzugskommission der Flurbereinigung benennt Ersatzgrundstücke im Grundbuch 1938, insgesamt zwölf Objekte, und das Amtsgericht will am 8. 12. 1938 den Aufenthaltsort von August Hirsch in Amerika erfahren. Am 26. 11. 1943 wird deutlich, dass die Schützenstraße 20 enteignet wurde: Sie ist als jüdisches Eigentum der Verwaltung und Verwertung des Deutschen Reiches „verfallenes Vermögen“ (Band VI, Bl. 441). Über einen Verkauf an „Ariseure“ im „Dritten Reich“ ist also nichts bekannt, da hier eine Firmenübertragung auf eine Privatperson stattfindet und anschließende Enteignung durch das Deutsche Reich. Die Hofreite liegt heute in der Schützenstraße 18. (Die geraden Ziffern der Schützenstraße differieren von heute zu früher um eine Hausnummer.) Im Mai 1947 holt August Hirsch Auskunft beim Amtsgericht Groß-Gerau zwecks Rückübertragung ein. Am 25. 7. 1949 ergeht Vermögenssperre und rund vier Monate später folgt der Rückerstattungsvermerk für das Grundbuch. Am 7. 2. 1950 ist das Rückerstattungsverfahren abgeschlossen. Ella, Witwe Augusts, sowie ihre Söhne Burt Bruno und Kurt Michael Hirsch benötigen als Nacherben die entsprechenden Nachweise aus dem Grundbuch. Sie erklären, dass sie die alleinigen Erben des am 18. 6. 1948 in Chicago verstorbenen August Hirsch sind. Am 8. 6. 1953 verkauft Frau Marie Raaz, Darmstädter Straße 30, bevollmächtigt von Ella Hirsch, geb. Meyerfeld, 53 Rd. Street Chicago, 15 Ill. USA, ferner von Burt B. Hirsch daselbst und Kurt M. Hirsch daselbst an Heinrich Königer und seine Ehefrau Anna, geb. Kehr die Schützenstraße 18 für 15.000 DM über die Kanzlei Höfle. Die devisenrechtliche Genehmigung zum Verkauf geschieht in der Nachkriegszeit durch die Bank Deutscher Länder in Übereinstimmung mit der alliierten Gesetzgebung. Die Vermessungsverwaltung mit Flurkarte vom 22. 1. 1955 gibt Auskunft über die Teilung des Grundstücks, das „alt“ den Königers als Nr. 20 (Schützenstraße – Ecke Steinstraße) gehört, „neu“ Königers und Heinrich Schadt IV. in der Schützenstraße 18. Es muss sich um das Ladengeschäft handeln, das August Hirsch, der in der Adolf-Hitler-Straße 13 wohnte, bis 1935 in der Schützenstraße 20 betrieb: eine Häute-, Fell- und Darmhandlung, also Metzgereibedarf, die am 1. 9. 1935 verpachtet wurde, während das Haus in der Adolf-Hitler-Straße 13 am 6. 12. 1935 an RA Peter Höfle verkauft wurde. |