Frankfurter Str. 36 (Fabrikgebäude der Branntwein- und Essigfabrik Hirsch und Söhne;
und Wohnhaus Familie Hugo Hirsch, Cousin von Heinrich Hirsch)
Stolpersteinverlegung am 8.7.2015
Historische Fotogalerie Familie Hugo Hirsch
Familie Hugo Hirsch im Stolpersteine-Guide
Hier wohnte | Alter
im Jahr 1933 |
Schicksal | Bemerkungen |
---|---|---|---|
Hugo Hirsch |
56 | Flucht am 4.7.1939 nach Brasilien |
Fabrikant |
Thekla Hirsch, geb. Selig |
50 | Flucht am 4.7.1939 nach Brasilien, nach Tod von Hugo 1947 in die USA |
Ehefrau von Hugo |
Anna Klara Hirsch, |
25 | Flucht 1939 mit Mann und Sohn über Rio de Janeiro in die USA |
Tochter von Hugo und Thekla, verh. mit Dr. Hermann Kahn, Arzt in Wiesbaden. Kinder: Robert und Margret; Sie besuchte 1990 mit ihren Kindern das Grab von Stefanie Hirsch, geb. Bloch, der Großmutter von Anna. |
Emilie Helene (= Milly) Hirsch, verh.Wetzlar |
20 | Flucht 1939 über Rio de Janeiro in die USA |
Tochter von Hugo und Thekla |
Victoria Luise (= Bobbel) Hirsch, verh. Bruchsaler geb. 6.9.1914 |
19 | Flucht 1939 über Rio de Janeiro in die USA |
Tochter von Hugo und Thekla, verh. mit Sally Bruchsaler Tochter: Ellen |
Recherchen ergaben folgende Informationen über die Menschen und die Häuser, in denen sie wohnten:
Hugo Hirsch war zusammen mit seinem Cousin Heinrich Hirsch Mitinhaber der Groß-Gerauer Branntwein- und Essigfabrik Hirsch und Söhne. Die Entschädigungsakten ergeben folgendes Bild: Die Entschädigungsbehörde schickt am 20. 11. 1962 die Rückerstattungsakten „nach Einsichtnahme mit Dank zurück“ an das Landesamt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung in Hessen, Frankfurt/M. Das Antragsformular lt. Bundesentschädigungsgesetz vom 29. 6. 1956 enthält folgende Angaben: Thekla Hirsch, geb. am 4. 7. 1863 in Bischofsheim, jetzt wohnhaft in New York 684 West 161. Street, verwitwet, drei Kinder im Alter von 48, 43, 42, früher deutsche Staatsangehörigkeit, jetzt USA, Beruf Hausfrau, stellt Entschädigungsansprüche als Verfolgte aus „Gründen der Rasse“ und zwar als Ehefrau des Hugo Hirsch, geb. am 31. 8. 1877 in Groß-Gerau, zuletzt wohnhaft in Wiesbaden Emserstraße 36, gestorben am 18. 7. 1945 in Rio de Janeiro, Brasilien, Deutscher („staatenlos“ = frühere Staatsangehörigkeit.) Hugo war Kaufmann in GG, bis 1935 „Inhaber der Branntweinbrennerei H. Hirsch und Söhne, verfolgt „aus Gründen der Rasse“. Dem Entschädigungsantrag sind beigefügt:
Eidesstattliche Erklärung von Thekla Hirsch vom 19. Februar 1957 (c/o Hermann Kahn, 684 West 161 Street NY.) Sie erklärt, dass ihr Ehemann nach Beendigung seiner Lehrzeit, erst im väterlichen Betrieb, dann in der Branntweinbrennerei von 1907 an als Mitinhaber tätig war. Sein geschätztes Einkommen betrug jährlich 10.000 bis 15.000 RM. Der Betrieb musste 1935 wegen der politischen Verhältnisse aufgegeben und verkauft werden. Das Ehepaar Hugo Hirsch zog nach Wiesbaden, Emserstraße 36, von wo es 1939 nach Rio de Janeiro auswanderte. „In Brasilien konnte mein Mann seines Alters und der Sprache wegen keine Beschäftigung finden und sind wir von meinem Bruder, welcher schon für die letzten 30 Jahre in Rio de Janeiro ansässig war, ernährt und auch gekleidet worden. Mein Mann ist dann im Jahre 1945 verstorben und ich bin im Jahre 1947 nach Nordamerika zu einer meiner Töchter übersiedelt.“ Eidesstattliche Erklärung von Gustav Hirsch, 340 Heaven Avenue New York vom 19. Februar 1957: Gustav Hirsch erklärt, dass Hugo Hirsch zusammen mit dem verstorbenen Bruder von Gustav Hirsch (= Heinrich Hirsch) Inhaber der Firma H. Hirsch Söhne in GG bis zum Verkauf der Fa. 1935 war. Hugo H. lebte bis dahin in „guten Verhältnissen“. Hirsch zog über Wiesbaden 1939 nach Rio de Janeiro. Er konnte nach dem Geschäftsverkauf bis zu seiner Auswanderung keine Beschäftigung mehr finden und hatte auch kein Einkommen mehr. Bescheinigung des Oberbürgermeisters von Wiesbaden vom 21. 11. 1957: Da die Einwohnerkartei Wiesbadens durch Kriegseinwirkung im Februar 1945 vernichtet wurde, kann ein Nachweis über Meldedaten vor 1945 in diesem Falle von Hugo Hirsch nur mehr aus der Gestapo-Kartei 1938, verwahrt von der hiesigen Jüdischen Gemeinde, entnommen werden. Danach war Hugo Hirsch, geb. 31. 8. 1877 in Wiesbaden (!) zuletzt in der Emser Straße 36 wohnhaft. Vermerk: „Am 4. 7. 1939 nach Brasilien“. Ein Fritz Stadtmüller erhärtet, dass Hugo Hirsch ca. zwei Jahre in der Emser Straße wohnte. Eidesstattliche Erklärung von Thekla Hanchen Hirsch 684 West 161 Street New York am 5. Oktober 1957 vor Notary Public, State of NY Irving Singer: „Ich Thekla Hanchen Hirsch, geborene Selig, erkläre hiermit, dass weder ich noch meine verstorbener Ehemann während unseres gesamten Aufenthaltes in Brasilien vom Tage unsrer Ankunft im August 1939 bis zu seinem Tode am 18. 7. 1945 „nicht die geringste Summe“ verdiente. Wir sind von einem meiner Brüder, Herr Wilhelm Selig, der bereits seit 1925 in Rio de Janeiro ansässig war, ernährt und unterhalten worden. Die Notare Leo Auerbach und Hellmut Schroeder, Frankfurt, Zeil 65-69 am 10. 12. 1957 an den RP in Wiesbaden, Wilhelmstraße 32: Zum Entschädigungsverfahren Thekla Hirsch nach Hugo Hirsch: Überreicht wird eine eidesstattliche Versicherung der Zeugin Cecilia Selig vom 4. 12. 1957, wonach der verstorbene Verfolgte vom Zeitpunkt der Auswanderung bis zu seinem Tod keine Einkünfte erzielt hat. Thekla stehe im 75. Lebensjahr und die Sache wegen des Berufsschadens sei umgehend zu entscheiden. Cecilia Selig erklärt in Rio de Janeiro eidesstattlich am 4. 12. 1957, dass ihr verstorbener Ehemann Wilhelm Selig seine Schwester Thekla Hanchen Hirsch und deren Ehemann Hugo Hirsch seit deren Einwanderung 1939 bis zum Tode des Hugo H. im Jahre 1945, resp. der Weiterwanderung seiner Schwester Thekla H. im Jahre 1947 nach Nordamerika „vollständig ernährt und unterhalten hatte“, da Hugo H. seines Alters wegen keine Stellung mehr bekommen konnte und er sowie seine Frau ohne jede finanziellen Mittel waren. Cecilia Selig in Rio vor dem Konsulatssekretär 1. Kl. Der Botschaft der BRD Finanzamt Wiesbaden an RP Wiesbaden in der Wiedergutmachungssache nach Hugo Hirsch am 21. 1. 1958: Keine Steuerakten mehr vorhanden, die Reichsfluchtsteuer wurde mit Bescheid vom 19. 8. 1939 auf 4187 RM festgesetzt und ist bis auf einen niedergeschlagenen Betrag von 282,40 bezahlt worden. RP Entschädigungsbehörde Wiesbaden 11. 2. 1958: Bescheid in der Entschädigungssache der alleinberechtigten Miterbin Witwe Thekla Hirsch, geb. Selig, geb. 4. 7. 1883 in Bischofsheim, wohnhaft in NY 684 West nach dem Kaufmann Hugo Hirsch, geb. 31. 8. 1877 zu Groß-Gerau, gest. am 15. 7. 1945 zu Rio de Janeiro, früher wohnhaft in WI, Emserstraße 36, vertreten durch RA Auerbach und Schroeder Frankfurt (Haus Bienenkorb). Entschieden wurde: die Antragstellerin hat aus Schaden im beruflichen Fortkommen des Erblassers Anspruch auf Kapitalentschädigung in Höhe von 13.010 DM. Sachverhalt in Auszügen: Hugo Hirsch, Jude, verließ Deutschland. 1939, war Inhaber der Branntweinbrennerei H. Hirsch Söhne in GG, Frankfurter Straße 42. Beim Verkauf 1936 bestand eine Brennerei, Likörfabrik, Essigfabrik, Küferei , Büros und 400 000 Liter Transport- und Lagerfässer sowie ein Lkw und Pkw. Steuerunterlagen sind nicht mehr vorhanden. Die damalige Hausfrau Thekla H. schätzt die Mittel zur Führung des Haushalts auf 10.000 bis 15.000 RM; veräußert werden musste am 6. 4. 1936; die Auswanderung nach Rio erfolgt 1939, ohne weitere Einkünfte und Erwerbstätigkeit. Lt. Erbschein des Amtsgerichts GG verstarb Hugo Hirsch am 15. 7. 1945 in Rio und wurde von Ehefrau Thekla H.,geb. Selig zu ¼ und von seinen Kindern Emilie Helene Wetzlar, geb. Hirsch, Viktoria Luise Bruchsaler, geb. Hirsch und Anna Clara Kahn, geb. Hirsch zu je ¼ gesetzlich beerbt. Am 27. 12. 1957 traten die drei Töchter ihre Ansprüche an die Mutter ab. Weitere Entschädigungsansprüche auf der Basis der Änderungsverordnungen vom 25. 2. 1960 werden nicht anerkannt. Es werden wiederum die Angaben von Thekla H. sowie des Bruders Gustav Hirsch, des inzwischen verstorbenen Bruders von Heinrich Hirsch zugrunde gelegt: 10.000-15.000 RM jährliches Haushaltseinkommen. Das Finanzamt GG teilte am 5. 11. 1957 mit, dass für die Fa. Hirsch in den Jahren 1933-1934 ein Höchstumsatz von 22.714.64 RM und 60.258.40 RM in Frage käme. Der Erblasser sei gemäß der Verordnung vom 25. 2. 1960 in die „vergleichbare Beamtengruppe des höheren Dienstes einzustufen“, was die Neufestsetzung der Entschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen angehe. |
Einwanderungskarte nach Brasilien unterschrieben von Helene Wetzlar, der Tochter von Hugo und Thekla Hirsch:
Einwanderungskarte nach Brasilien für Hugo Hirsch:
Einwanderungskarte nach Brasilien für Thekla Hirsch: