Antisemitismus in der Kirche

Dokument Martin Luther / Info-Kasten Kirchliche Maßnahmen gegen Juden

Am 19. November 1930, Buß- und Bettag, äußerte der Groß-Gerauer Pfarrer Scriba in Gegenwart einer Frankfurter Besuchergruppe, die zur Besichtigung der Groß-Gerauer evangelischen Kirche anwesend war, auf die Frage, wie die Konfessionen in Groß-Gerau auf die Bevölkerung verteilt seien, daß es unter anderem auch einhundertfünfzig Juden gebe. Er sagte dann wörtlich vor zwölf Zeugen: "Auf diese einhundertfünfzig Juden verzichten wir gerne, die können Sie mit nach Frankfurt nehmen."

Pfarrer Scriba selbst stellt die Angelegenheit in der Chronik wie folgt dar:
"Am preußischen Buß- und Bettag kam eine Frankfurter Gesellschaft, meist aus dem gehobenen Arbeiterstand und unteren Beamten bestehend, hierher und besichtigten unsere Kirche, wobei ich die Erklärungen gab. Auf die Frage über die Verteilung der Konfessionen machte ich die scherzhafte Bemerkung: Wir haben hier 150 Juden, die können sie mit nach Frankfurt nehmen, die geben wir gerne ab. Keiner der Zuhörer nahm die Bemerkung anders auf als sie gemeint war. Scherzhaft. Der Vorsitzende dankte mir am Schluß warm. Unter den Zuhörern waren, was mir unbekannt war, zwei Juden, die meine Äußerungen den hiesigen Juden weitermeldeten. Und nun sollte es an mich gehen; man wähnte schon, meine Behörde werde mich gar bald in den dicksten Vogelsberg versetzen. Der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens zu Frankfurt wandte sich beschwerdeführend an das Landeskirchenamt; die hiesige Judenschaft wandte sich an den Gemeinderat und dieser ebenfalls beschwerdeführend an das Landeskirchenamt. Auf meinen Bericht hin, ging eine Antwort nach Frankfurt und der Gemeinderat wurde gebührend in die Schranken gewiesen, ‚eine Mißbilligung dem Geistlichen bzw. dem Pfarramt gegenüber auszusprechen, dazu ist der Gemeinderat nicht zuständig. Wir müssen dies um die Freiheit und Unabhängigkeit des geistlichen Amtes und der kirchlichen Körperschaften willen betonen.' Mir wurde ,das Erforderliche bedeutet' d. h. beide Antwortschreiben gingen mir ,zur Kenntnisnahme` zu. - Damit war die Sache erledigt".

Das Landeskirchenamt antwortete:
"Pfarrer Scriba hat in der Tat bei jener Führung in der Kirche eine Äußerung getan, die verletzend wirken konnte. Wir hoffen, daß diese Angelegenheit durch eine entsprechende Bedeutung Pfarrer Scribas und eine Benachrichtigung des ,Zentralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens' in Frankfurt a. Main erledigt ist. Wir haben bei unseren Erhebungen erfreulicherweise feststellen können, daß Pfarrer Scriba eine feindliche Gesinnung und Haltung gegenüber den jüdischen Gemeindemitgliedern Groß-Geraus völlig fern liegt." Unterzeichnet ist der Brief des Landeskirchenamtes von Prälat Wilhelm Diehl, der dem heutigen Gymnasium als Namensstifter diente und der 1871 in Groß-Gerau in der Mainzer Str. 17 geboren wurde (siehe Foto der Gedenktafel am Haus).

Dokument: Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen, 1543

Was wollen wir Christen nun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden tun? (...) Ich will meinen treuen Rat geben.
Erstlich, daß man ihre Synagoge oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solches soll man tun, unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, daß wir Christen seien und öffentlich Lügen, Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht geduldet noch gewilliget haben. (...)
Zum anderen, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben ebendasselbige darinnen, was sie in ihren Schulen treiben. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall tun, wie die Zigeuner, auf daß sie wissen, sie seien nicht Herrn in unserem Lande. (...)
Zum dritten, daß man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten, darin solche Abgöttereien, Lügen, Fluchen und Lästerung gelehret wird.
Zum vierten, daß man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbiete, hinfort zu lehren. Denn solch Amt haben sie mit allem Recht verloren. (...)
Zum sechsten, daß man ihnen den Wucher verbiete und nehme ihnen alle Barschaft und Kleinode an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwahren. Und dies ist die Ursache: Alles, was sie haben (wie droben gesagt), haben sie uns gestohlen und geraubt durch ihren Wucher, weil sie sonst keine andere Nahrung haben. (...)
Denn, wie gehört, Gottes Zorn ist groß über sie, daß sie durch sanfte Barmherzigkeit nur ärger und ärger, durch Schärfe aber wenig besser werden. Drum immer weg mit ihnen.

Ausstellung zum Ausleihen: Martin Luther und die Juden

Geburtshaus von Prälat Diehl in der Groß-Gerauer Mainzer Str. 17

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Info-Kasten Kirchliche Maßnahmen gegen Juden

Verbot der Ehe und des geschlechtlichen Verkehrs zwischen Christen und Juden (Synode von Elvira, 306)
Verbot der gemeinsamen Speiseneinnahme von Juden und Christen (Synode von Elvira, 306)
Juden ist es nicht erlaubt, öffentliche Ämter zu bekleiden (Synode von Clermont, 535)
Juden ist es nicht erlaubt, christliche Knechte, Mägde oder Sklaven zu halten (3. Synode von Orleans, 538)
Juden ist es nicht erlaubt, sich während der Karwoche auf den Straßen zu zeigen (3. Synode von Orleans, 538)
Verbrennung des Talmud und anderer jüdischen Schriften (12. Synode von Toledo, 681)
Christen ist es untersagt, jüdische Ärzte zu Rate zu ziehen (Trullanische Synode, 692)
Christen ist es nicht erlaubt, bei Juden zu wohnen (Synode von Narbonne, 1050)
Juden müssen gleich Christen den Kirchenzehnt entrichten (Synode von Gerona, 1078)
Verbot der Sonntagsarbeit (Synode von Szabolcs, 1092)
Juden dürfen Christen nicht anklagen und können nicht Zeugen gegen Christen sein (3. Lateranisches Konzil, 1179, Kanon 26)
Den Juden ist es verboten, ihre zum Christentum übergetretenen Glaubensbrüder zu enterben (3. Lateranisches Konzil, 1179)
Juden müssen ein Unterscheidungszeichen an ihrer Kleidung tragen (4. Lateranisches Konzil, 1215)
Verbot des Synagogenbaus (Konzil von Oxford, 1222)
Christen ist es nicht erlaubt, an jüdischen Feierlichkeiten teilzunehmen (Synode von Wien, 1267)
Juden dürfen mit einfachen Leuten nicht über den katholischen Glauben disputieren (Synode von Wien, 1267)
Juden dürfen nur in Judenvierteln wohnen (Synode von Breslau, 1267)
Christen ist es nicht erlaubt, Grund und Boden an Juden zu verkaufen oder zu verpachten (Synode von Ofen, 1279)
Übertritt eines Christen zum Judentum oder Rückkehr eines getauften Juden zu seiner früheren Religion ist wie erwiesene Häresie zu behandeln (Synode von Mainz, 1310)
Verkauf oder Verpfändung kirchlicher Gegenstände an Juden sind verboten (Synode von Lavaur, 1368)
Juden dürfen nicht als Unterhändler bei Verträgen zwischen Christen, insbesondere nicht als Vermittler von Ehen auftreten (Konzil von Basel, 1434, XIX. Sitzung)
Juden dürfen keine akademischen Grade erwerben (Konzil von Basel, 1434, XIX. Sitzung)

aus: Hans Küng, Das Judentum, S. 293f

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