Redebeitrag von Hans Kohl über seine Verbindung zur Familie Rosenthal

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

erst einmal soll ich Sie von Renate Schwarz, geb. Rosenthal, herzlich grüßen. Leider kann sie aus gesundheitlihen Gründen nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen. Renate hatte am 10. Juli Geburtstag und ist nun 87 Jahre alt. Sie hat meine Eltern – Irmgard und Walter Kohl – und mich gebeten, sie bei dieser Veranstaltung zu vertreten.

Die Verbindung meiner Familie zur Familie Rosenthal/Schwarz haben wir einer Frau zu verdanken, nämlich Frau Katharina Bambach oder in den Erinnerungen von Frau Lina Rosenthal und Renate Schwarz einfach nur „Käthchen, die treue Seele“, genannt.

Katharina Bambach, geborene Schulmeyer, geboren 1901 in Mörfelden, kam zwischen 1918 und 1919 nach Groß-Gerau und ging bei der Familie Max Marx, bzw. Michael Marx, Am Sandböhl 8, in Stellung. Sie lernte in Groß-Gerau ihren späteren Mann Phillip Bambach kennen. Die geplante Hochzeit im Jahr 1924 musste wegen des plötzlichen Todes von Frau Emilie Marx verschoben werden. Im Jahr 1925 und mittlerweile verheiratet, zog das junge Paar in die Dachwohnung des Hauses der Familie Rosenthal in der Darmstädter Straße, damals Hausnummer 51, ein.

Frau Bambach arbeitete nun bei Familie Rosenthal. Da sie bei Fam. Marx koscher kochen gelernt hatte, kam ihr das sehr zu Gute. Am 10.07.1926 wurde Renate Rosenthal geboren, im Jahr 1928 Hans Bambach.

Fam. Rosenthal zog im Jahr 1934 nach Mainz. Käthchen Bambach übernahm nun die damals nicht ganz ungefährliche Aufgabe die Mieteinnahmen des Hauses Darmstädter Straße 51 den Rosenthals nach Mainz zu überbringen, bzw. ist Renate von ihrer Mutter in Mainz in den Zug gesetzt worden, um die Mietgelder in Groß-Gerau abzuholen.

Familie Bambach kaufte sich ein Haus bei der Reichsheimstätte im Groß-Gerauer Norden (Siedlung) und zog 1939 dort ein. Ihr Mann Phillipp Bambach verstarb bereits 1943 an einer Thrombose.

Anfang 1944 kam mein Vater, Walter Kohl, wegen der vielen Bombenangriffe auf Darmstadt, als Schüler nach Groß-Gerau und hatte sich das Haus von Katharina Bambach als vorrübergehende „Bleibe“ ausgesucht. Hans Bambach, Sohn von Käthchen, kam bei einem Bombenangriff im August 1944 in der Darmstädter Straße gegenüber Kaufhaus Kahn (später Löffelholz, jetzt Braun) ums Leben. Mein Vater half bei der Bergung. Gegen Ende des Krieges ging mein Vater wieder zu seinen Eltern nach Darmstadt zurück, half Frau Bambach in Groß-Gerau aber noch viele Jahre an den Wochenenden bei der schweren Gartenarbeit und der Erhaltung des Hauses.

Im Jahr 1947 erhielt Käthchen Bambach das erste Lebenszeichen von Fam. Rosenthal. Diesen Brief gab sie weiter an Pfarrer Diebener, Auf der Steig 4, in Mainz. Dokumentiert ist dies mit einer Postkarte von Pfarrer Diebener an Frau Bambach, der sich für die Weitergabe des Briefes herzlich dafür bedankte.

Meine Eltern, beide aus Darmstadt, heirateten 1949 und wurden von Frau Bambach in Groß-Gerau herzlich aufgenommen. Käthchens Haus füllte sich nun wieder mit neuem Leben. Ich kam Ende 1949 auch noch hinzu und wurde auf den Namen Hans getauft, in Erinnerung an ihren verstorbenen Sohn. So wurde sie auch meine Oma.

Nachdem auch Lina und Sally Rosenthal 1952 nach USA eingewandert waren, schickte Käthchen regelmäßig Pakete mit selbstgebackenen Plätzchen und „Latwerje“ (Pflaumenmus). Im Gegenzug kamen Pakete mit den neuesten Modellen amerikanischer Kleidung. Für mich waren getragene Hemden und Jeans von Ronny (Ronald, Renates Sohn, geb. 1947) dabei, die ich voller Stolz trug.

Sally Rosenthal verstarb 1956 in USA. Anfang der sechziger Jahre zog Lina Rosenthal wieder nach Deutschland und zwar in eine gut bürgerliche Gegend in Frankfurt, später dann nach FFM-Bonames in eine altersgerechte Wohnung. Das Wiedersehen mit Käthchen war herzergreifend. Mit dem Auto meiner Eltern besuchten wir Lina Rosenthal in Frankfurt, oder wir holten sie nach Groß-Gerau, wo sie auch manchmal bei uns übernachtete. Auch ein Weihnachtsfest verbrachten wir gemeinsam mit Lina Rosenthal, Käthchen Bambach, meinen Eltern und Großeltern in Darmstadt. Eine wundervolle Freundschaft begann. Meine Ohren konnten gar nicht groß genug sein, um das alles aufzunehmen, was Lina Rosenthal alles zu erzählen hatte.

Renate kam dann ebenfalls ab und an nach Deutschland, um ihre Mutter zu besuchen und so begann auch mit ihr eine tiefe Freundschaft, die bis heute anhält.

Ohne Oma Käthchen stünden meine Familie und ich jetzt nicht hier. Wir sind ihr deshalb auch zu tiefst dankbar. Ohne Oma Käthchen wäre Lina Rosenthal ein bisschen einsamer in der „alten Welt“ gewesen. Beide waren zwar sehr unterschiedlich haben sich aber bis ins hohe Alter gegenseitig respektiert und hatten eines gemeinsam und das war ihr Sinn für Gerechtigkeit gepaart mit einer Portion Zivilcourage.

Lina Rosenthal verstarb 1982 in Frankfurt-Bonames. Beerdigt ist sie in den USA neben ihrem Mann Sally.

Renate Schwarz ist Mutter und Großmutter. Ihr Enkelsohn dient zur Zeit in der israelischen Armee. Wir wünschen ihr alles Gute und hoffen mit dem Setzen der Stolpersteine, das Vergessen ein wenig hinauszuzögern.

Vielen Dank.