Pogromnacht - die Tage danach

Am 12. November erneuerten sich die "Demonstrationen" gegen die Juden Groß-Geraus. Es sah so aus, als wollten die "Demonstranten" hauptsächlich plündern und ihr erklärtes Ziel war dabei Emil Marx, ein wohlhabender Jude im Alter von 65 Jahren, der in sein zerstörtes Haus zurückkehrte. Er und seine Schwester, Hedwig Kaufmann, deren Ehemann nach Buchenwald verschleppt worden war und die seitdem im Hause Marx wohnte, brachten sich im benachbarten Haus Wirtwein in Sicherheit. Trotz der nazistischen Propaganda nahmen christliche Nachbarn verfolgte Juden in ihren Häusern auf. Im Hause Wirtwein wurde Marx von der Polizei festgenommen, die damit gewalttätige Ausschreitungen gegen ihn verhindern wollte. Vom Hause Marx setzten die Gewalttäter ihren Weg in weitere jüdische Häuser fort, deren Besitzer ebenfalls ihres eigenen "Schutzes" wegen festgenommen wurden. In der Nacht ließ man sämtliche Festgenommenen wieder frei.

Am Samstag nach der "Kristallnacht" wurden die Juden, die nicht in die Lager geschickt worden waren, gezwungen, die Straßen an ihren Häusern zu säubern und die Fassaden auszubessern. Die Wohnungen selbst blieben ruiniert. Die Ausschreitungen der "Kristallnacht" wurden von der breiten Bevölkerung nicht mit der großen Begeisterung aufgenommen, die sich Goebbels erhoffte, deswegen griff man in Groß-Gerau so wie anderswo in Deutschland, zu weiteren Propagandamitteln, um eine wohlwollende öffentliche Meinung herzustellen und um die aggressive antijüdische Politik des Staates fortzusetzen. Eines dieser Mittel war die Organisierung von Hetzkampagnen auf Volksversammlungen mit dem Motto "Die Juden sind Mörder". Den "Volksgenossen" wurde nahegelegt, daß sie es nicht wagen sollten, diesen Versammlungen fernzubleiben, und in der Presse wurde betont, daß es noch viele Menschen gäbe, die nicht verstanden hätten "was auf der Tagesordnung steht". Die Hessische Landeszeitung mußte eine Reihe von Hetzartikeln sowie giftige Verleumdungen veröffentlichen, in denen die Juden beschuldigt wurden, sämtliche Katastrophen der Vergangenheit, die über die Deutschen gekommen sind, verursacht zu haben. Greuelgeschichten über "verbrecherische Handlungen", die angeblich von Juden am Rhein verursacht wurden, wurden aufgetischt.

Die Ereignisse der "Kristallnacht" und die Verordnungen, die anschließend veröffentlicht wurden, schufen eine neue Realität für die Juden Groß-Geraus. Ein Teil der jüdischen Männer blieb ungefähr zwei Monate in Buchenwald, die Frauen und die Alten wohnten weiter in ihren ruinierten Häusern, und der einzig verbliebene Ort, an dem man sich vor dem 10. November treffen konnte, die Synagoge, war leer und zerstört. Am 14. November wurden die Gasleitungen abgestellt und zwar auch in Wohnungen von Juden, die in Häusern lebten, in denen auch "Arier" wohnten. Man kann davon ausgehen, daß dies deswegen geschah, um die Juden zu zwingen, diese Häuser zu verlassen, und um die Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden zu unterbrechen. Die meisten Juden aus Groß-Gerau wurden nach der "Kristallnacht" zu Sozialhilfeempfängern. Schon in der Mitte des Jahres 1939 konnte man die Juden Groß-Geraus an den Fingern einer Hand abzählen.

Die Biedermänner als Brandstifter ließen sich - einmal in Bewegung gesetzt - nicht so leicht bremsen: Jede Ortsgruppe mußte ihren Pogrom gehabt haben. Er dauerte in Groß-Gerau bis zum 13. 11. 1938! Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember 1938 war in der Zeitung zu lesen:

Die Überreste der Synagoge, die seit Wochen das Stadtbild verschandeln, werden verschwinden. Sobald es die Witterung zuläßt, werden die Mauern von einem Darmstädter Unternehmer abgetragen. Die Firma wird die Arbeiten für das Abbruchmaterial, das ihr überlassen wird, kostenlos durchführen. Die Stadtverwaltung wird dann so bald wie möglich den hier gewonnenen freien Platz in einen Grün- und Parkplatz umwandeln. Auch diese Maßnahme der Stadtverwaltung wird wieder sehr zur Verschönerung des Stadtbildes beitragen.
(Hessische Landeszeitung vom 22.12.1938)

Ausgebrannte Ruine der Groß-Gerauer Synagoge

Was an jenen Tagen passierte, war juristisch und nach rechtsstaatlichen Gegebenheiten als Aufruhr, Landfriedensbruch, Freiheitsberaubung und Nötigung zu ahnden. Wenn das Oberste Parteigericht der NSDAP im Februar 1939 feststellte, "die mündlich gegebenen Weisungen des Reichspropagandaleiters (Goebbels) sind wohl von sämtlichen anwesenden Parteiführern so verstanden worden, daß die Partei nach außen nicht als Urheber der Demonstrationen in Erscheinung trete, sie in Wirklichkeit aber organisieren und durchführen sollte..." so bestätigt es damit, daß der befohlene Pogrom leichter auszulösen als zu beenden war. Der Nazi-Staat nutzte die Gelegenheit, um im Anschluß an die Pogromnacht einschneidende Gesetze und Verordnungen zu erlassen.

Von der Stunde an, da in Deutschland die Kunde von der feigen Tat des Mordbuben Grünspan an die Oeffentlichkeit gelangte, mußte sich jeder anständige Deutsche Zwang antun, um der herausfordernden Frechheit der jüdischen Eindringlinge noch länger zu zusehen. Die traurige Nachricht vom Ableben des verdienten deutschen Diplomaten brachte jedem zum Bewußtsein, daß sich das Weltjudentum nicht scheute, die Methoden des Meuchelmordes, wie einst auch bei Wilhelm Gustloff, weiter gegen Nationalsozialisten anzuwenden.

Tief erschüttert über diese frivole Mordtat der Juden fand sich daher die Darmstädter Bevölkerung geschlossen, zum Teil noch in der Nacht, besonders aber in den frühen Morgenstunden zu gewaltigen Demonstrationen als spontaner Ausdruck gegen die Juden und ihre in aller Welt Deutschland entfachte Hetze zusammen. Daß man nicht mit gleichen Mitteln, wie Mord und Totschlag gegen die Hebräer vorging, ist wieder einmal der deutschen Langmut und der Disziplin des Volkes zu verdanken. Nicht genug damit, die künftigen Palästinafahrer erhielten noch den besonderen Schutz der deutschen Polizei. Daß man aber die Nester, die Synagogen, in denen sie ihre teuflischen Pläne ausbrüteten, dem Erdboden gleichmachte, ist unter den gegebenen Verhältnissen eine außerordentlich milde Vergeltungsmaßnahme, die spontan erfolgte.

Trotz der außerordentlich großen Erbitterung, die dem jüdischen Handel Einhalt gebieten wollte, kam es nirgendswo in unserer Stadt zu Plünderungen. Lediglich die beiden Judentempel in der Fuchsstraße und in der Bleichstraße fielen der von allen Bevölkerungsschichten getragenen Demonstrationen zum Opfer. Wollte man fragen, wer den Brand entfacht hat, so bliebe als einzige Antwort darauf: Niemand oder alle. Denn wer hätte es bedauert, als die fremden Zeugen einer asiatischen Bauweise in Flammen aufgingen? Hunderte und Tausende waren auf den Beinen, um bei dieser mächtigen Demonstration des Volkswillens dabei zu sein. Und Hunderte und Tausende gaben den Impuls zu dieser Vergeltungsmaßnahme.

Zu bedauern waren nicht die Bundesgenossen jenes Mordbuben, die mit kläglichem Wehgeschrei um die Synagogen streunten, zu bedauern waren nur die Männer der Feuerlöschpolizei, die am gestrigen Tag eine besondere Pflicht erfüllen mußten, die, das muß hier besonders betont werden, Herr der Lage waren. Sie mußten sich auf den Schutz der umliegenden Gebäude beschränken.

Die Bevölkerung der Stadt Darmstadt hat trotz der jahrelangen jüdischen Hetze im Ausland Disziplin gehalten. Der Mord an Wilhelm Gustloff durch den Juden Frankfurter wurde seinerzeit noch mit verhaltenem Zorn hingenommen, als aber der deutsche Diplomat, Gesandtschaftsrat vom Rath als neues Opfer den jüdischen Mordkugeln erlag, da brach auch in Darmstadt der Sturm der Entrüstung gegen die los, die jahrzehntelag in Deutschland das Gastrecht mißbraucht haben. Das Volk hat gesprochen, und jeder Jude, der heute noch in Darmstadts Mauern weilt, muß diese Sprache verstehen. Für jüdische Mörder und ihre Genossen ist in unserer Landeshauptstadt kein Platz mehr!

Am gleichen Tage fand in Frankfurt eine gewaltige Demonstration statt. Sämtliche Synagogen wurden auch in Frankfurt dem Erdboden gleichgemacht.

(Hessische Landeszeitung vom 11.11.1938)

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Wie bereits kurz mitgeteilt, veranstaltet die Partei am Dienstag, den 15. November 1938, abends eine Versammlungswelle im Kreis Groß-Gerau, in der bekannte Redner der NSDAP über das Thema: "Juden sind Mörder!" sprechen werden. Es darf erwartet werden, daß es keinen Volksgenossen gibt, der den Besuch dieser Versammlung, die in allen Ortsgruppen stattfindet, versäumt.

Der feige Meuchelmord in Paris, dem der deutsche Gesandtschaftsrat 1. Klasse Parteigenosse Ernst vom Rath zum Opfer fiel, hat unserem Volk wieder mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, wo die Kriegshetzer in der Welt zu suchen sind. Alljuda hat wieder einmal die Maske von seiner scheußlichen Fratze fallen lassen und die Einsichtigen in aller Welt sind erneut auf die Dinge aufmerksam gemacht worden, die wir schon lange als den Ursprung aller Unruhe, alles Elends unter den Völkern dieser Erde erkannt haben. (...)

Das Volk hat in der vergangenen Woche mit aller Eindeutigkeit dem Judentum seine Antwort gegeben. Die Reichsregierung wird durch den Erlaß von Gesetzen und Verordnungen, deren erstes bereits veröffentlicht ist, und über die gestern die ersten Nachrichten zu uns gelangten, auf legalem Weg den greulichen Machenschaften des jüdischen Untermenschentum in scharfer Weise zu begegnen wissen.

Das deutsche Volk steht noch völlig unter dem Eindruck der typisch jüdisch - bolschewistischen Mordtat, die einen jungen, befähigten Vertreter unseres Volkstumes mitten aus seiner rastlosen Arbeit hinwegraffte. Die Versammlungswelle der Partei, die am Dienstag durch unseren Kreis geht, hat daher auch Anspruch auf besonderes Interesse.

(Hessische Landeszeitung vom 13.11.1938 )

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(...) Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Generalfeldmarschall Göring, erließ eine Verordnung, derzufolge Juden vom 1. Januar 1930 der Betrieb von Einzelhandelsverkaufstellen, Versandgeschäften oder Bestellkontoren sowie der selbständige Betrieb des Handwerks untersagt wird. Ebenso kann nach dieser Verordnung ein Jude vom 1. Januar 1939 ab nicht mehr Betriebsführer im Sinne des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 1. Januar 1934 sein. Ist ein Jude in leitender Stelle eines Wirtschaftsunternehmens tätig, ohne Betriebsführer zu sein, so kann das Anstellungsverhältnis durch den Betriebsführer mit einer Frist von sechs Wochen gekündigt werden.

Weiterhin erließ des Beauftragte für den Vierjahresplan eine Verordnung, derzufolge alle Schäden, welche durch die Empörung des Volkes über die Hetze des internationalen Judentums gegen das nationalsozialistische Deutschland am 8., 9. und 10. November 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben und Wohnungen entstanden sind, von den jüdischen Inhabern bzw. jüdischen Bewerbetreibenden sofort zu beseitigen sind. Die Kosten der Wiederherstellung hat der Inhaber der betroffenen jüdischen Gewerbebetriebe bzw. Wohnungen zu tragen. Versicherungsansprüche von Juden deutscher Staatsangehörigkeit wurden zugunsten des Reiches beschlagnahmt. (...)

Vor allem wurde der Beschluß gefaßt, den deutschen Juden in der Gesamtheit in Form einer Geldbuße von einer Milliarden Mark die Strafe für den ruchlosen Mord in Paris aufzuerlegen. Dieser Betrag verfällt in voller Höhe dem Reich. Der Beauftragte für den Vierjahresplan hat bereits eine dementsprechende Verordnung erlassen

(Hessische Landeszeitung vom 13.11.1938 )

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