Else Blatt heiratete im Jahr 1930 in Tuttlingen den Isidor Kälbermann und wohnte dort in der Hermannstraße 23.
Der folgende Text stammt von Gunda Woll von den Museen der Stadt Tuttlingen.
Familie Kälbermann in Tuttlingen „Wenn wir mehr geahnt hätten, wären wir früher gegangen“, sagte Elise Fröhlich in einem Interview. Ähnlich hätte wohl auch Isidor Kälbermann geantwortet, wenn man ihn nach dem Krieg befragt hätte. Er musste in den fernen USA schmerzlich die Ermordung seiner Frau, seiner Tochter und seiner Schwiegereltern verkraften. Im Frühjahr 1939 hatte er alleine Tuttlingen verlassen, um über England in die USA zu emigrieren. Seine Familie wollte er nachholen. Dazu kam es aber nicht mehr. Wer aber war die Familie Kälbermann? Isidor und Ludwig Kälbermann wurden in Großeicholzheim (Neckar-Odenwald-Kreis) als Söhne des Vieh- und Schuhhändlers Max Kälbermann und dessen Ehefrau Amalie geb. Heimann im Jahre 1899 und 1901 geboren. 1922 zogen die Brüder nach Tuttlingen und erwarben schon bald das Gebäude Hermannstraße 23, das zuvor dem Schuhfabrikanten Johannes Martin gehört hatte und begründeten darin eine Schuhfabrik sowie einen Großhandel mit Leder und Schuhwaren. Die Schuhfabrikation wurde schon bald aufgegeben, der Handel aber weiter betrieben. 1932 trennten sich die Brüder und jeder meldete für sich einen Großhandel an – Isidor für Leder- und Schuhwaren, Ludwig für Schuhwaren. Der ältere Bruder Isidor heiratete 1930 die 1907 in Mainz geborene und in Großgerau ansässige Else Blatt, die als auffallend gut aussehende Frau geschildert wird. Sie war die Tochter des Kaufmanns und Weinhändlers Siegfried Blatt und dessen Ehefrau Rosalie. 1932 gebar Else ihre gemeinsame Tochter Edith. Der jüngere Bruder Ludwig heiratete die 1906 in Vacha im Kreis Eisenach geborene Dina Schoen. 1933 kam der gemeinsame Sohn Werner auf die Welt. Die Welt der Kälbermanns veränderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Bereits am 1. April 1933 wurde ein Boykottaufruf für jüdische Geschäfte veröffentlich, den besonders Isidor Kälbermanns Schwiegereltern Siegfried und Rosalie Blatt zu spüren bekamen. Ihr Wein- und Spirituosengeschäft in Großgerau wurde geplündert und zerstört. Der deutliche Druck auf die jüdische Einwohnerschaft in Groß-Gerau veranlasste sie zu ihren Tochter Else nach Tuttlingen zu ziehen. Sie wohnten mit ihnen im Gebäude Hermannstraße 23. Ihr eigenes repräsentatives Gebäude in Groß-Gerau mussten sie verkaufen, erhielten aber lediglich einen Bruchteil des vereinbarten Geldes nach Tuttlingen überwiesen. Auch ihr Sohn Paul lebte 1934 ein halbes Jahr in Tuttlingen, emigrierte dann aber nach Frankreich, wo er interniert wurde, aber fliehen konnte. Die Kälbermanns begannen sich um 1937 auch für Auswanderungsmöglichkeiten zu interessieren. Es wird kolportiert, dass Isidor Kälbermann mit dem Rexinger Erkundungstrupp, dem auch Julius Fröhlich beitrat, nach Palästina reiste, sich aber nicht dazu durchringen konnte, sich auf dem kahlen Stück Land niederzulassen. Die Familie des Bruders Ludwig liquidierte im März 1938 ihr Geschäft und verließ im April Tuttlingen mit dem Ziel USA. In den Passagierlisten findet sich ein Eintrag auf der President Harding für alle drei Familienmitglieder. Ihr Ziel war der Ort Mount Vernon im Staate New York. Ludwig Kälbermann starb 1954 in Amerika. Sein Bruder Isidor zögerte offensichtlich nach der Palästina-Erfahrung Weiteres zu veranlassen. Bis Oktober 1938 führte er sein Geschäft, dann meldete er es ab. Als er bei der so genannten "Judenaktion“ der Reichskristallnacht; am 9.November 1938, in Schutzhaft genommen wurde, spürte er sicher, dass Handeln dringend notwendig war. Zwar wurde er als Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs Anfang Dezember wieder entlassen, die Bedrohung blieb, aber gleichzeitig wurde es immer schwerer Deutschland zu verlassen. Kurz vor Kriegsausbruch meldete er sich in Tuttlingen ab, um das Terrain in England oder USA zu sondieren. Zwei Mal taucht er in Passagierlisten Richtung USA auf. Zum einen 1939 bei seiner Flucht, zum andern 1953 als er offensichtlich noch einmal zurückgekehrt war, um das Schicksal seiner Familie zu klären. Damals setzte er von Le Havre nach New York über. Als Wohnort wurde New Rochelle im Staate New York angegeben, das an Mount Vermont, wohin sein Bruder umsiedelte, grenzt. Seine Familie, die er 1939 zurück gelassen hatte, sah er nie wieder. Bereits im Mai 1939 zog seine Tochter Edith nach Stuttgart (zunächst in die Uhlandstraße 25 zur Fam. Schloss) über, da ihr in Tuttlingen der Schulbesuch verwehrt wurde. Später folgte ihr ihre Mutter nach. Beide lebten dann in der Wannenstraße 16. Vor diesem Haus liegen die Stolpersteine für den Rechtsanwalt Dr. Robert Mainzer und seiner Frau Helene. Else und Edith Kälbermann waren in dem ersten Deportationszug, der am 1. Dezember 1941 den Stuttgarter Nordbahnhof verließ und Riga zum Ziel hatte. Dort verliert sich ihre Spur. Man weiß jedoch, dass die Deportierten zunächst in das Lager Jungfernhof kamen und dann nach und nach in den Wäldern bei Riga erschossen wurden. Siegfried und Rosalie Blatt lebten noch bis August 1942 in dem Haus in der Hermannstraße. In ihrer Meldekartei steht der Vermerk, dass sie nach Baisingen verzogen sind. Ob dies der Wahrheit entspricht oder ob sie direkt von Tuttlingen deportiert wurden, wissen wir nicht. Jedenfalls wurden sie über das Sammellager in Stuttgart mit dem Transport XIII, 1 ab dem Stuttgart Hauptbahnhof verschleppt und trafen am 23. August 1942 im KZ Theresienstadt ein um von dort weiter ins KZ Treblinka gebracht zu werden. Am 10. Oktober 1942 wurde er in Treblinka oder Minsk ermordet. Genauso erging es seiner Frau: auch sie wurde über das KZ Theresienstadt in das KZ Treblinka verschleppt und ist in Minsk verschollen. Am 15. September 1946 wurde sie für tot erklärt. Gunda Woll |