Darmstädter Str. 24 (damals 30 1/2)
Schuhhandlung der Brüder Herschkorn

Hier wohnte Alter im
Jahr 1933
Schicksal Bemerkungen
Leiher/Laufer/Leifer Herschkorn
geb. 22.1.1893 Lodz
gest. 18.6.1967 London
40

Umzug nach Gernsheim,
später Flucht nach London

Schuhhandlung der drei Brüder Leiher, Rudolf und Jakob;

siehe unten Hintergrundinformationen zum Zuzug jüdischer Familien aus Polen

Ciwia Brilla Herschkorn
geborene Heimann
geb. 20.3.1896
in Złoczew/Polen;
37 Umzug nach Gernsheim Ehefrau;
Heirat am 7.8.1922
Rudolf Herschkorn
geb.
gest.
??? ???

 

Jakob Herschkorn
geb.
gest.
??? ??? Für einen Jakob Hirschkorn (geb. in Lodz; gewohnt in Darmstadt) gibt es in Yad Vaschem ein Gedenkblatt, angelegt von seinem Neffen Efraim Hirshkorn. Ob es sich um den Groß-Gerauer Jakob Herschkorn handelt ist nicht sicher.
Chaim Herschlik Laufer
geb. 31. 7. 1896
in Zarnowinc/Polen
37 ???  
Sidla Laufer
geborene Hirschkorn
geb. am 26. 11. 1894
in Lodz/Polen
39 ???

Ehefrau von Chaim
(vielleicht Tochter von Rudolf)

Heirat am 20. 6. 1921

Eintrag im Adressbuch 1925:


Familie Herschkorn bzw. Hirschkorn

Die Herschkorns betrieben in diesem Haus ein Schuhgeschäft. Das sind 1925/26 Rudolf Herschkorn, Laufer Herschkorn und laut Adressbuch 1931, Jakob Herschkorn. Ob dieser mit dem Jakob identisch ist, der zum 8. 5. 1945 für tot erklärt wird, weil „in der Deportation verschollen“ ist nicht abschließend zu klären. (HHStAW 518, 63330)

Wie auch andere gleichen Namens haben sich die Gerauer Herschkorns auf den Schuhhandel spezialisiert, wie z. B. in Gernsheim die Gebrüder Hirschkorn mit dem Schuhhaus HeLu
(für Herschkorn Ludwig?). Dort in Gernsheim geschah in den Pogromtagen 1938 u. a. folgendes: „Im Schuhgeschäft HeLu hat man an ca. 80 Paar Schuhen mit dem Beil die Schuhspitzen und Absätze abgehackt und die zerlegten Teile auf die Straße geworfen....“ (Brief von Hermann Weil, 1965).

Sieben Geschäftsleute aus Gernsheim wanderten allein nach London aus. Einem der Brüder, Ludwig, gelingt 1939 die Flucht in die USA. Für die nach London geflüchtete Gernsheimer Kaufmannsfamilie Leiser und Civia Baile Hirschkorn aus der dortigen Magdalenenstraße 39 werden im Jahr 2017 Stolpersteine in Gernsheim verlegt.

Auch der Kaufmann Leiser Ludwig Herschkorn in Gross-Gerau betreibt den Schuhhandel. Er ist am 22. 1. 1893 in Lodz geboren und am 18. 6. 1967 in London gestorben (HHStA W 518,24866). In den National Archives Kew befindet sich ein Naturalisation Certificate Leiser Herschkorn of no Nationality, Resident in London, Certificate BNA27006 issued 6 April 1949.

Er heiratet, laut Aufgebotsregister Gross-Gerau als Leifer Hirschkorn benannt, am 7. 8. 1922 die Modistin Ciwia Bril(l)a Heimann, (am Rand beglaubigt korrigiert aus Heumann), die am 20. 3. 1896 in Złoczew, Polen geboren ist. Trauzeugen sind Herschel Herschkorn, 23 Jahre, wohnhaft in Gross-Gerau und der Obersekretär Wendel Bender, 29 Jahre aus Geinsheim. Dieser Leifer muss der laut Adressbuch 1926 in Gross-Gerau ansässige Kaufmann „Leiher“ sein.

Eine zweite Heirat verbindet am 20. 6. 1921 den Kaufmann Chaim Herschlik Laufer, geb. am 31. 7. 1896 in Zarnowinc (Czarnowanz; siehe unten bei Hintergrundinformationen), wohnhaft in Gross-Gerau mit Sidla Hirschkorn, ohne Beruf , geb. am 26. 11. 1894 zu Lodz in Polen, wohnhaft in Gross-Gerau. Trauzeugen sind der Bürgermeistersekretär Wendel Bender III. 28 Jahre aus Geinsheim und der Bürgermeistergehilfe Martin Zotz 28 Jahre Gross-Gerau; Standesbeamter Urban.

Ob Jakob Hirschkorn, der in Lodz, Polen geborene Sohn von Yekhiel und Reizl, identisch mit dem Gerauer Jakob ist, der 1931 im Adressbuch unter der Darmstädter Straße 30 ½ steht, ist nicht sicher. Er war verheiratet und lebte vor dem zweiten Weltkrieg in Darmstadt. Er kam in der Shoa um. Sein Neffe Efraim Hirshkorn bezeugte das in den Gedenkblättern von Yad Vashem.

Hintergrundinformationen zum Zuzug jüdischer Familie aus Polen:

Der Zuzug der Familien Hirschkorn / Herschkorn, meist aus Polen, kann als Antwort auf die Umwälzungen im und durch den Ersten Weltkrieg verstanden werden, die wie Umwälzungen eh und je - von antisemitischen Ausschreitungen begleitet waren: Die Umbrüche kulminieren in den Russischen Revolutionen 1905/ 1917, im Ende der Polnischen Teilungen und der Wiederherstellung der Staatsnation Polen 1917 sowie im Zusammenbruch von vier Reichen, darunter das Zarenreich und die Donaumonarchie. Bevölkerungen gerieten in Bewegung.

Vielleicht war, was in Czarnowanz passierte, der Grund dafür, dass sich Herschlik Laufer u.v.a. ins Deutsche Reich begaben. Eer konnte nicht voraussehen, dass das deutsch-polnische Verhältnis während der Weimarer Republik sehr gespannt war und dass mit der antisemitischen NSADAP an der Macht zu allererst 1934 ein Nichtangriffspakt mit Polen geschlossen wurde, der durchaus nicht der Beschwichtigung diente, sondern den deutschen Angriff auf Polen. am 1. 9. 1939 keineswegs ausschloss.

Bei der Volksabstimmung in Oberschlesien am 20. März 1921 stimmten 779 Wahlberechtigte für einen Verbleib bei Deutschland und 376 für Polen, im Gutsbezirk Czarnowanz stimmten 58 Personen für Deutschland und vier für Polen. Czarnowanz verblieb beim Deutschen Reich. 1933 lebten im Ort 2676 Einwohner. Am 10. August 1936 wurde der Ort in Klosterbrück umbenannt. 1939 hatte der Ort 3528 Einwohner. Bis 1945 befand sich der Ort im Landkreis Oppeln.

Im Gedenkbuch des Bundesarchivs werden 19 Opfer unter dm Namen Herschkorn genannt. Sie stammen entweder aus Lodz oder Zabno in Galizien. Viele wohnten in der Vorkriegszeit in Wawern bei Trier; sie wurden deportiert nach Litzmannstadt oder Auschwitz, oder sie wurden am oder nach dem 27. 10. 1938 über die Grenze nach Polen abgeschoben. Dieser Abschiebung, fielen auch die Eltern von Herschel Grynspan zum Opfer. Dies nahm dieser zum Anlass für sein Attentat auf den Deutschen Diplomaten vom Rath in Paris am 8.11.1938. Dieses Attentat wiederum lieferte ein für Nazi-Deutschland willkommenes Alibi, die Pogrome in den nächsten Tagen danach zu initiieren. Über die jüdische Bevölkerung im Raum Trier (mit Zentrum Wawern) existieren umfangreiche Dokumentationen unter

http://www.mahnmal-trier.de/Juden_in_Wawern.pdf
http://avg-trier.rdts.de/upload/dokumente/10140.pdf
http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20396/Trier%20Heidt%20102015.pdf

Unter den Aufgeführten im Gedenkbuch  kommt namentlich niemand von denen vor, die in Gross-Gerau, Darmstädter Straße 30 ½ ein Schuhgeschäft betrieben, dennoch sind bei solch gebündelter gemeinsamer Herkunft an einem Ort Querverbindungen zu Bekannten oder Verwandten durchaus möglich.