Recherchen im Jahr 2008 führten zu folgenden Erkenntnissen:

In der „unvordenkliche“ Zeiten dokumentierenden Grundbuchakte des israelitischen Friedhofsverbandes tauchen die Namen von Philipp Jakob Hamburger zu Groß-Gerau und seiner Ehefrau Maria Wilhelmine Christine, geb. Weilandt, im Grundbuchauszug und in der Parcellenvermessung zum 11. 11. 1897 mit der Flurbezeichnung „vor dem Hospitalthor“ auf, eingetragen, „legalisirt durch Decret“ vom 24. 2. 1893. Es handelt sich um die Einrichtung des Grundbuchs überhaupt. 1904 finden sich Leopold Sommerfeld und Ehefrau Eleonore, geb. Michel, in Dornheim mit Hofreite und Grabgarten eingetragen „vor dem Hospitaltor“.

Eine Novationsurkunde bekundet, dass das Ehepaar Sommerfeld Eigentümer der an die Sparkasse verpfändeten Immobilien in Groß-Gerau geworden sind. Schuldurkunden gehen diesem Vorgang voraus.

Am 27. 9. 1929 tritt das Hochbauamt Groß-Gerau als Ankäufer des Hauses Sommerfeld in der August-Bebel-Straße auf.

Am 30. 4. 1935 beurkundet der Notar Bergmann den Kaufvertrag zwischen 1) Robert Stavinoga in Groß-Gerau in Ausführung für die Gemeinde Groß-Gerau und 2) Regierungsrat Gutermuth, stellvertretender Kreisdirektor, handelnd für den Kreis Groß-Gerau. Die Gemeinde Groß-Gerau verkauft an den Kreis Groß-Gerau für 25.000 GM einen „Bauplatz in der Darmstädter Straße Grundbuch Bd. XXI, Bl. 1614.“

Am 8. 6. 1936 folgt im selben Notariat Bergmann der Kaufvertrag zwischen
1. Paul Oppenheimer (Oppenheimer ist schon 1909 1. Vorsteher des Israelitischen Friedhofsverbandes), Kaufmann GG,
2. Erich Goldschmidt, Kaufmann, Trebur,
3. Ludwig Sternfels, Kaufmann, Erfelden, „die erklärten, auf Grund § 19 der am 12. 9. 1892 durch das Kreisamt Groß-Gerau genehmigten Satzung zur Vertretung des Israelitischen Friedhofsverbandes Groß-Gerau berechtigt zu sein“
4. Regierungsrat Gutermuth, Kreisamt Groß-Gerau

Der Israelitische Friedhofsverband verkauft an den Kreis Groß-Gerau Grundbuch Bd. VII, Bl. 540, Fl. I Nr. 515 „der alte Juden Kirchhof“ (Wiese) in der Bleichstraße, 375qm; Fl I Nr. 549 Grabgarten in der Galgenstraße, 469 qm, Grasgarten 231 qm , Fl I Nr. 550 Hofreite mit Waschhaus daselbst, 425 qm für 18.000 RM. Kosten für die Ausgrabung und Wiederbestattung werden bis maximal 2000 RM vom Kreis erstattet, darunter auch Kosten für die Zwischenbestattung und spätere Überführung. Die Grabsteine gehören dem Friedhofsverband. „Die in die Abschlussmauer an der Helwigstraße eingelassenen Grabsteine sind, wenn diese Mauer entfernt wird, sorgfältig auszubauen und ebenfalls dem Friedhofsverband zu überlassen.“ „Der bisherige Mietvertrag des Kreises Groß-Gerau hat am 31. 5. 1936 geendigt.“

Das nördliche Stück, angrenzend an die Helwigstraße, nutzt derzeit der Zimmermeister Johannes Schmidt. Darüber hat der Friedhofsverband keinen schriftlichen Vertrag. Die Zahlweise der 18.000 RM erfolgt so, dass innerhalb von 2 Wochen 9000 RM entrichtet werden; die zweite Rate von 9000 RM wird ausgehändigt, sobald der 1. Vorsteher der israelitischen Gemeinde erklärt, dass die Exhumierung beendet ist. „Die Umbettung der auf dem Friedhofsgelände beigesetzten Gebeine erfolgt im Auftrag des Friedhofsverbandes durch jüdische Arbeiter unter Überwachung des Staatlichen Gesundheitsamtes Groß-Gerau. Die Exhumierung muss sofort und ohne schuldhaftes Zögern spätestens bis zum 15. 6. 1936 nach Angaben des Kreisamtes begonnen und ohne Verzögerung durchgeführt werden.“

Es folgen die üblichen Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 26. 8. 1936 und eine Bestätigung des Kaufvertrags durch das Kreisamt GG ans Amtsgericht GG am 9. 10. 1936. Darin wird mitgeteilt, dass der 1. Vorsteher Paul Oppenheimer infolge Wegzugs sein Amt niedergelegt hat und dass der Kaufmann Gustav Hirsch GG zum Vorstandsmitglied gewählt wurde. Am 4. 1. 1937 wird festgestellt, dass die Objekte des Kaufvertrags nicht von der in diesen Jahren reichsweit durchgeführten Feldbereinigung betroffen sind.

Der nächste Kaufvertrag datiert vom 30. 6. 1937: Zwischen 1.) R. Stavinoga, handelnd für die Gemeinde GG und 2.) Regierungsrat Gutermuth, handelnd für das Kreisamt GG: Die Gemeinde verkauft für 8960 RM an den Kreis GG „sechs Grabgärten auf dem Mühlweg“ und „in dem Weingarten“; die Grabgärten sind von Katasteränderungen betroffen (24. 2. 1940); die Vermessungsverwaltung stellt am 26. 10. 1943 den alten Bestand dem neuen gegenüber:

Alter Bestand:                                                                                                   neuer Bestand:
Auf dem Mühlweg                                                                                            Mittelstraße 30
Auf dem Mühlweg
Auf dem Mühlweg                                                                                            Mittelstraße 32/34
In dem Weingarten                                                                                           Mittelstraße 31; ferner 29,28,26.

Der Grundbuchauszug aus vom 14. 12. 1909 wird von Kfm. Adolf Oppenheimer, Selig, Bischofsheim und Sternfels, Erfelden, handelnd für den Israelitischen Friedhofsverband GG als richtig anerkannt. (1936)

Am 27. 1. 1937 liegt ein Teilungsplan für den israelitischen Friedhofsverband vor. Ich nehme an, es handelt sich um Ersatzgelände für den verkauften „alten Friedhof“ neben dem inzwischen erbauten Freibad GG.

Am 19. 1. 1939 will der Landesverband der israelitischen Religionsgemeinden Mainz Grundbuchauszüge des Groß-Gerauer Israelitischen Friedhofsverbandes einsehen. Am 3. 7. 1942 wird der Israelitische Friedhofsverband GG in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert.

Bd. VII Bl. 540 wird am 8. 6. 1942 lt. § 5 der 10. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 4. 7. 1937 nach Abschreibung geschlossen. Es war ausgestellt auf „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ Mainz. Unter dem 18. 2. 1941 findet sich eine saubere Auflistung der gesamten Grundbuchbestände im Laufe der Zeit. Daraus geht hervor, dass am 7. 2. 1938 zufolge der Feldbereinigung, die reichsweit durchgeführt wurde, sind dem Israeleitischen Friedhofsverband ersetzt worden die Grundstücke Nr. 2: durch „Grabgarten „hinter den Judengärten“ 805qm, die Nummern 6,7,8,9,1 durch den „Israelitischen Begräbnisplatz am Judenfriedhof“ 5668 qm.

Am 28. 8. 1943 liegt ein neuer Auszug über Gütergeschosse und Zuteilungsplan der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Mainz vor: Er enthält neun Objekte.

Am 7. 10. 1943 macht das Finanzamt GG dem Grundbuchamt des Amtsgerichts GG Mitteilung über die Verwaltung und Verwertung von dem Reich verfallenem Vermögen, hier: Grundbuch Bl. 540/541 mit 9 Objekten lt. Grundbuch, gefertigt am 25. 11. 1937.

Diese neun Objekte sind:
1. Alte Juden Kirchhof, Wiese, Bleichstraße
2. Acker daselbst
3. – 5 ) übertragene Grundstücke
6. Totenhof an dem Windmühlberg
7. Totenhaus daselbst
Nr. 1-7 sind „unvordenklicher Besitz“
8. Acker, unvordenklicher Besitz seit 26. 10. 1870; 20. 2. 1871 und 5. 6. 1889.
9. Acker „in der Schaufel“ unvordenklicher Besitz seit 6. 9. 1889.

In der Nachkriegszeit tritt die Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) am 16. 5. 1949 auf den Plan; betr. Öffentliches jüdisches Vermögen: Friedhof, Hofreite mit Waschhaus Grundbuch Bd. XVI Bl. 1211 bzw. Grundbuch VII Bl. 540 bezüglich des Kaufvertrags vom 8. 6. 1936 Fl. I Parz. Nr. 5125,549, 550)

Der Grundbuchauszug vom 4. 4. 1957 führt in Bd. XVI Bl. 1211 auf: Helwigstraße 47, Darmstädterstr. 24, Friedrich-Ebert-Anlage 1, Mittelstraße 30, 32, 31, 29, Karl-Liebknecht Straße 11, Darmstädterstr. 76; ein weiterer Grundbuchauszug ohne Jahr: Mittelstraße 30,32, 31, 29, Berliner Straße 3 und 1, Darmstädterstr. 66.

Danach geht es ausschließlich um städtische Verkäufe unter Bgm. K. Martin und M. Schlappner für den Kreis um Bauplätze, die die Stadt an den Kreis verkauft: Brignoler Straße etc.

Für die Lokalisierung des dem Jüdischen Friedhof neben dem Freibad von 1936/1937 vorausgehenden älteren Friedhof sind ff. Namen wichtig: Helwigstraße 15 (Hofreite), Bleichstraße, Galgenstraße, Windmühlberg.